Geschehen in Kevelaer Kinder, die nie das Licht der Welt sahen

KEVELAER · Die Kirchengemeinde St. Marien hat die Möglichkeit geschaffen, stillgeborene Babys in würdigem Rahmen zu bestatten. Dafür gibt es eine Grabstätte auf dem Friedhof, für Eltern ein wichtiger Ort, um zu trauern.

 Die Trauerfeier in der Clemenskapelle ist berührend. Vor dem Altar steht ein kleiner weißer Sarg.

Die Trauerfeier in der Clemenskapelle ist berührend. Vor dem Altar steht ein kleiner weißer Sarg.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Es war viele Jahre ein Tabu. Wenn eine Frau eine Fehlgeburt hatte, wurde oft darüber nicht gesprochen. Dabei ist das kein Einzelschicksal. Und den Wunsch, einen Platz zum Trauern zu haben für ein Kind, das man nie im Arm halten durfte, hatten viele Paare. Oft hatten die so genannten stillgeborenen Kinder bereits Namen, einen festen Platz im Herzen der Eltern.

In Kevelaer waren es Frauen aus dem Pfarrgemeinderat St. Marien, die 2009 die Idee aufgriffen, eine „Grabstätte für Kinder, die nie das Licht der Welt erblickten“, auf dem Friedhof einzurichten. „Für die Frauen stand fest, dass diese Kinder, so klein sie auch sein mögen, eine würdige Bestattung bekommen sollen“, so Ernst Koppers, der damals im Kirchenvorstand war und an der Umsetzung der Initiative mitgewirkt hat. Die Kirchengemeinde stellte auf ihrem Friedhof an der Römerstraße einen Platz für eine würdevolle Beisetzung zur Verfügung. 2012 fand hier die erste Beerdigung für 24 frühverstorbene Kinder aus Kevelaer und den Ortsteilen statt. Seitdem gibt es dreimal im Jahr solche Beisetzungen. Die Nachfrage steigt, die Rückmeldungen seien sehr positiv, so Koppers, der auch dabei war, als jetzt 21 stillgeborene Kinder bestattet wurden.

Es sind bewegende Momente in der Clemenskirche. Eine Ordensschwester hat den Platz am Altar liebevoll vorbereitet, auf dem der kleine weiße Sarg steht. Jedes Kind liegt in einer kleinen Schachtel, um die ein Seidentuch gewickelt ist, in dem gemeinsamen Sarg. Als Erinnerung bekommen die Eltern am Ende der Beisetzung ein Stück des Seidentuches ihres Kindes und eine Kerze. Pfarrer Michael Wolf hält diesmal die Trauerfeier. „Herr, in aller Trauer ist dies unser einziger Trost: dass unser Kind jetzt aufgehoben ist bei dir, dass du es in deine Arme genommen hast, da unsere Arme es nicht mehr halten können“, heißt es im Gebet. Schweigend geleiten Eltern, Priester und Gäste den kleinen Sarg zum Kindergräberfeld. Nach dem Abschlusssegen bleiben einige Eltern noch stehen, um sich von ihrem Kind zu verabschieden. Immer wieder kommt es vor, dass Eltern es emotional nicht schaffen, an der Zeremonie teilzunehmen, berichtet Koppers. Sie kommen häufig später, um in aller Stille zu trauern. „Dann steht plötzlich eine Vase mit bunten Blumen, eine Kerze oder eine kleine, weiße Engelsstatue auf dem Grabfeld“, so Koppers.

Lange Zeit galten Fehlgeburten unter 500 Gramm rechtlich nicht als Personen. Es gab daher auch keine Möglichkeit der Bestattung. Doch was hat das Gewicht eines Kindes mit der Trauer der Eltern zu tun? Für sie steht der Verlust im Vordergrund. Seit 2003 gibt es ein neues Gesetz, wonach auch Totgeburten unter 500 Gramm bestattet werden können.

 Die Grabstätte für Fehlgeburten auf dem Friedhof in Kevelaer.

Die Grabstätte für Fehlgeburten auf dem Friedhof in Kevelaer.

Foto: ja/Koppers

In den Krankenhäusern Kleve und Geldern gibt es für die betroffenen Eltern Informationen. Dazu gehört neben Kontaktadressen auch eine Karte, auf der Eltern erklären können, dass sie zur Trauerfeier eingeladen werden wollen. Und die Resonanz zeigt: Für viele Eltern ist es ein Trost, einen Platz für ihre Trauer zu haben.

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