Handwerk Die Tradition der Kirchengoldschmiede

Kevelaer · Norbert van Ooyen blickt zurück auf die 105-jährige Geschichte seiner Familie. In seiner Werkstatt restauriert er eine Monstranz, die sein Großvater geschaffen hat. Außerdem: Eine Ehrung zu 25 Jahren persönlichem Betriebsjubiläum.

 Norbert van Ooyen hält in seiner Werkstatt eine Monstranz in den Händen, die der Goldschmied gerade restauriert.

Norbert van Ooyen hält in seiner Werkstatt eine Monstranz in den Händen, die der Goldschmied gerade restauriert.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Es ist der Tag, an dem Norbert van Ooyen für 25 Jahre Betriebsjubiläum vom Obermeister der Goldschmiede-Innung Niederrhein, Martin Link, ausgezeichnet werden soll. Van Ooyen wirkt nachdenklich und bescheiden. 1993 hat er den Betrieb seines Vaters Paul übernommen. „25 Jahre sind nur ein Teil der Geschichte, nicht nur der familiären“, sagt er. Die familiäre reicht 105 Jahre zurück. Dafür liefert van Ooyen gleich handfeste Beweise. In seiner Werkstatt hat der Gold- und Silberschmiedemeister einen Arbeitstisch stehen, an dem schon sein Opa gelernt hat. Von einem glücklichen Umstand spricht er, dass ausgerechnet jetzt eine Monstranz zur Restaurierung bei ihm ist, die sein Großvater Johann 1936 für eine Kirchengemeinde im Bistum Münster angefertigt hat. „Die eigenen 25 Jahre, das ist die Fortsetzung, die ich machen durfte“, sagt der 56-Jährige.

Alles begann mit seinem Großvater Johann van Ooyen, der in einem der großen Betriebe in Kevelaer, bei den Gebrüdern Bausch, in die Lehre ging. „Kevelaer stellt sicher einen ganz besonderen Platz dar“, sagt Norbert van Ooyen. Paramentik, Orgelbau, Glasmalerei und Gold- und Silberschmiede gibt es geballt an einem Ort. „Dass sich solche Berufe in einem solchen Maße an einem Ort konzentrieren konnten, ist der Segen von Maria“, sagt van Ooyen.

 Bei filigranen Arbeiten muss der Goldschmiedemeister zwischendurch das Objekt genau in den Blick nehmen.

Bei filigranen Arbeiten muss der Goldschmiedemeister zwischendurch das Objekt genau in den Blick nehmen.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

1913 machte sich sein Großvater Johann selbstständig, damals noch ein paar Häuser weiter, in dem Haus mit der Nummer 19 auf der Basilikastraße. Es war keine einfache Zeit. Schon ein Jahr später tobte der Erste Weltkrieg. „Von 1914 bis 1918 ging gar nichts“, sagt Norbert van Ooyen. Es folgten der Börsencrash 1929, die Weltwirtschaftskrise und der Zweite Weltkrieg. Auf Johann folgte Paul van Ooyen, der Vater des heutigen Gold- und Silberschmieds. Dann trat Norbert van Ooyen in die beruflichen Fußstapfen seiner Ahnen. „Es ist einfach so passiert“, sagt er. „Ich weiß aber heute, dass es totale Erfüllung geworden ist.“

Auf seinem Tisch befindet sich eine Bibel. „Die liegt da wegen der letzten 20 Seiten“, sagt Norbert van Ooyen lächelnd. Entscheidend ist für den Gold- und Silberschmied, dass darin die Grundsteine des himmlischen Jerusalems beschrieben werden. „Genau zwölf, nach den zwölf Stämmen Israels“, erklärt van Ooyen. Sein Vater hat die zwölf genannten Edelsteine auf die zwölf Monate verteilt und so einen biblischen Hintergrund gegeben. „Den Dingen einen inhaltlichen Sinn mitzugeben, das ist der wichtigste Wesenskern unserer Arbeit“, erklärt van Ooyen. Das geschieht auch bei den Gesprächen an seinem Tisch. Dort setzt man sich zusammen, wenn es um einen neuen Auftrag geht. Er sehe sich als verlängerter Arm des Auftraggebers, erklärt van Ooyen sein Selbstverständnis. Bei den Gesprächen geht es darum, den tiefen Kern der anzufertigenden Arbeiten herauszuarbeiten.

 Norbert van Ooyen, Heike van Ooyen und Obermeister Martin Link (rechts) von der Goldschmiede-Innung Niederrhein.

Norbert van Ooyen, Heike van Ooyen und Obermeister Martin Link (rechts) von der Goldschmiede-Innung Niederrhein.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Der Kevelaerer erzählt von der Begebenheit, als eine katholische Kirchengemeinde einer evangelischen Kirchengemeinde, beide aus dem Oldenburger Land, Abendmahlsgeräte schenken wollte. Der „Geusen-Daniel“, der Engel mit Trompete, der auf vielen evangelischen Kirchturmspitzen zu sehen ist, wurde im Laufe des Gesprächs zu einem dienenden Engel und gibt dem Krug heute seine Form. Stilisierte Hände auf dem Kelch und der Brotschale stehen für die Handreichung, gelebte Ökumene der beiden Kirchengemeinden. „Da bin ich beim Kirchengoldschmied“, sagt van Ooyen. So sieht er seinen Beruf. „Es ist ein bisschen mehr als nur den Hammer schwingen können“, sagt er über die Tragweite. Wer die Monstranz, die sein Großvater angefertigt hat, anschaut, versteht das ohne Worte. Familientradition ist es auch, dass man sich um das Marienbild kümmert. „Das Gnadenbild mit seinem Schmuck braucht eine fachmännische Betreuung“, sagt van Ooyen. Und die übernimmt er gerne, ehrenamtlich. „Die Nähe zu meiner Kirche ist groß“, sagt er, und meint nicht nur, dass die nur einen Steinwurf von seiner Werkstatt entfernt ist.

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