Kevelaer Kabarettist Schmickler und die Tollwut-Bürger

Kevelaer · Wilfried Schmickler hat noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Auch jetzt im Kevelaerer Bühnenhaus nicht, in dem er mit seinem Programm "Das Letzte" gastierte. Der 61-Jährige sezierte aktuelle Themen ebenso wie die Ängste seiner Mitmenschen: "Tollwut-Bürger gegen Merkel, was die sich für Pöbeleien gefallen lassen muss. Anstand, Würde und Zurückhaltung sind heute anscheinend vergessen. Die Latrinen der Gesellschaft fließen über, und die verbale Notdurft der 'besorgten Bürger' verdeckt das Fehlen des eigenen Selbstbewusstseins." Für Schmickler ist das momentane rechte Gedankengut "ein Triumphzug der Frustrierten und Verdrossenen", die sich fragen: "Sind Flüchtlingsstürme und Asylantenfluten eigentlich Naturkatastrophen?" Ebenfalls wollte der Kabarettist wissen: "Was machen dann eigentlich die Asylanten, die nicht so lustig singen können wie Roberto Blanco?"

Doch nicht nur die aktuelle blubbernde braune Masse in der Bevölkerungsschicht war sein Ziel. Es hagelte auch Seitenhiebe gegen Polizeigewalt und die digitale Vernetzung des Alltags. Denn "die menschliche Existenz im Strudel des Cyberspace" sorge dafür, dass "die Freiheit zu einer Rechenaufgabe und die Seele ein Algorithmus" wird.

Verschiedene Gesangseinlagen und mehrere vorgelesene Einträge "aus dem Tagebuch eines Gratwanderers" lockerten den Abend im Bühnenhaus auf. Dabei preschte Schmickler auf seine typische Art und Weise immer wieder ohne Punkt und Komma im Eiltempo durch seine verschiedenen Ansätze. Das kaschierte zwar schön einige ungelenke Pointen, bügelte aber leider auch clevere Ansätze durch die Dampframmen-Dramaturgie etwas nieder.

Immer dann, wenn die Form eher zu Kunststücken verkam und der Inhalt zweitrangig wurde, fehlte den gekonnt gesetzten Akzenten leider ein wenig die Ausgeglichenheit. Doch die Besucher liebten zum großen Teil Schmicklers Vortrag und belohnten ihn mit viel Zwischenapplaus. Möglicherweise hätte es noch mehr gegeben, wenn er zwischendurch einfach mal eine Pause zum Luftholen gelassen hätte, vielleicht wäre er dann auch nicht ein paar Mal über seine eigene Wortakrobatik gestolpert.

Doch im weiteren Verlauf des Abends glich es sich wieder etwas aus. Und bei Scherzen wie der Hühnersuppe, die bei Krankheiten hilft, weil da ja eh so viel Antibiotika drin sei, sowie den SPD-Funktionären, die nicht den Ast absägen, auf dem sie sitzen, "sondern wir sitzen auf dem Ast, an dem wir sägen", dann kann man so kleine Schnitzer schon gerne einmal übersehen.

(cnk)
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