Traditionsreiches Hotel in Kevelaer schließt im Oktober „Goldener Apfel“ ist verkauft

Kevelaer · Jutta Pesch-Braun übergibt das traditionsreiche Hotel am Kapellenplatz im Oktober an Investor Hermann Tecklenburg aus Straelen. Ein Schritt, den sie sich lange überlegt hat. Jetzt sei genau der richtige Zeitpunkt dafür, meint sie.

 Das waren noch Preise, eine Tagessuppe gab es 1956 für 40 Pfennige.

Das waren noch Preise, eine Tagessuppe gab es 1956 für 40 Pfennige.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

In den 80er Jahren zog es Jutta Pesch-Braun erst einmal weg aus ihrer Heimatstadt Kevelaer. Sie studierte am Bodensee und ist bis heute begeistert von der Zeit. „Es war einfach toll, nach der Schule so ganz auf eigenen Beinen zu stehen“, erzählt sie. Nach dem Studium wollte sie eigentlich auf Reisen gehen, um dort Erfahrungen zu sammeln. Doch da kam die Anfrage ihrer Eltern, ob sie nicht den „Goldenen Apfel“ am Kapellenplatz übernehmen wolle. Sie kam ins Grübeln: „Mein Vater hat mich damals richtig um den Finger gewickelt. Er hat gesagt, entweder verkaufen wir das Haus, dann ist es weg. Oder du probierst das erst mal ein Jahr aus und schaust dann weiter.“

Jutta Pesch-Braun entschied sich dafür, es zu probieren. Aus einem Jahr wurden schließlich 30. „Du bist da einfach in die Rolle hineingewachsen, mit jedem Jahr als Gastwirtin. Und die Arbeit habe ich richtig lieb gewonnen“, erzählt sie, und man spürt deutlich, wie sehr sie an dem Hotel hängt, das mit zu den traditionsreichsten Häusern in Kevelaer zählt.

 Jutta Pesch-Braun in der Rezeption des Hotels. Sie hat die Nachbarn in einem sehr persönlichen Brief über ihren Abschied informiert.

Jutta Pesch-Braun in der Rezeption des Hotels. Sie hat die Nachbarn in einem sehr persönlichen Brief über ihren Abschied informiert.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Mit dem Beginn der Wallfahrt vor mehr als 375 Jahren wurde aus dem früheren Bauernhaus ein Hotel, das über Jahrhunderte Anlaufstelle für die Pilger war. Die Großeltern von Jutta Pesch-Braun hatten das Hotel 1934 übernommen und waren dort mit ihren vier Kindern eingezogen. Nachdem Jutta Pesch-Brauns Großvater Leo Pesch bereits 1936 starb, führte seine Frau Margarete das Haus alleine weiter. „Ich weiß bis heute nicht, wie meine Großmutter das damals geschafft hat. Sie musste ein Hotel leiten und dann auch noch vier Kinder zu versorgen.“

 Das Hotel „Zum Goldenen Apfel“ ist ein Blickfang am Kapellenplatz.

Das Hotel „Zum Goldenen Apfel“ ist ein Blickfang am Kapellenplatz.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Schließlich übernahm der Vater von Jutta Pesch-Braun das Haus. Auch er hatte eigentlich andere Pläne, studierte Maschinenbau und wollte Ingenieur werden. „Seine Mutter hat ihn überredet, so wie es später mein Vater bei mir gemacht hat“, erzählt die 55-Jährige lachend, die in dem Haus eigentlich von Anfang an mitgeholfen hat. „Es war immer klar, dass meine drei Geschwister und ich mit anpacken mussten.“

Aber auch das habe Spaß gemacht. Vor allem die Vorbereitungen für die Tanzschule Axmann, die im Winter über viele Jahre das Hotel in ein Tanzlokal verwandelte, wenn die Zeit ruhig war. Erst spielte ein Pianist zum Tanz auf, später gab es eine Musikanlage und es wurden Platten aufgelegt.

Die Kinder hatten die Aufgabe, die Kisten mit Schallplatten ins Haus zu tragen. „Das fanden wir unheimlich spannend, das war für uns mal was ganz anderes als den Pilgern ein Schnitzel zu servieren.“ Die Tanzschule sei ein wichtiger Treffpunkt für die Jugend in Kevelaer gewesen. „Es war eine aufregende Zeit, vor allem wenn da der Mittelball oder der Abschlussball anstand.“ Ein Höhepunkt der Ballsaison in der Marienstadt war jahrelang der Silvesterball im Saal des „Goldenen Apfel“. Je mehr Jutta Pesch-Braun erzählt, desto wehmütiger wird sie, wenn sie daran denkt, dass die Zeit im „Goldenen Apfel“ bald vorbei sein wird. „Ich sehe das mit einem weinenden Auge, ganz klar, ich sehe es aber auch als einen wichtigen Schritt, den ich in der Gewissheit tue, den Richtigen für das Haus gefunden zu haben.“ Sie hat den „Goldenen Apfel“ an Hermann Tecklenburg verkauft.

„Es dauerte einige Zeit, den richtigen Investor zu finden, bei dem ich mein Haus in guten Händen weiß. Ich bin sicher, dass Herr Tecklenburg das Haus ansprechend erhalten wird.“ Geplant seien unten eine Gaststätte und oben Wohnungen. Die Fassade müsse erhalten bleiben, betont die Gastwirtin, denn die steht unter Denkmalschutz. Für sie ist es keine Frage: „Der Apfel ist das schönste Haus am Kapellenplatz.“

Die Idee, das Haus zu verkaufen, sei ganz langsam gereift. „Ich habe mich dann im vergangenen Jahr dazu entschieden, diesen Schritt zu gehen.“ Sie freue sich darauf, dass auch in ihrem Leben ein neuer Abschnitt beginnt. Was genau sie machen wird, das ist noch offen. „Erst einmal wollte ich die Entwicklung bei der Übergabe des Hauses abwarten, jetzt werde ich schauen, wie es weitergeht. Es ist spannend, denn ich weiß nicht, wohin mich die Straße führen wird. Aber das ist das Abenteuer, auf das ich gewartet habe, darauf freue ich mich“, sagt sie und erzählt davon, wie sie sich kurz nach der Übernahme des Hotels Anfang der 90er Jahre ein Motorrad gekauft hatte. Damit wollte sie eigentlich durch England fahren. Daraus wurde nichts, weil immer das Hotel vorging. Die englischen Pfund, die sie für die Reise umgetauscht hatte, lagen noch Jahre später im Schrank. Erst in den vergangenen Jahren sei es mit Hilfe von Freunden möglich gewesen, dass sie auch mal wegfährt. „So kam langsam der Mut, weil ich gemerkt habe: Es geht auch ohne mich.“

Am 15. Oktober wird sie das Haus übergeben. „Ich muss jetzt langsam anfangen, mich hier von Dingen zu trennen und muss lernen, umzudenken.“ Einfach werde das nicht, dafür hänge sie zu sehr an dem Haus. Denn die Zeit mit den Gästen habe sie genossen. „Die Welt kam ja nach Kevelaer und damit auch zu mir, jeder Gast brachte seine ganz eigene Geschichte mit“, berichtet Jutta Pesch-Braun. Viele seien immer wieder gekommen, weil sie das Familiäre am Haus schätzten.

So ganz wird sie den Kapellenplatz nicht verlassen. Sie führt weiter den „Goldenen und Silbernen Schlüssel“, wo Zimmer an Studenten vermietet werden.

Sie selbst würde am liebsten in ein Haus in Kevelaer und Umgebung ziehen. „Ich träume von einem Häuschen aus dem 19. Jahrhundert mit Kamin und Garten, noch bin ich auf der Suche und würde mich freuen, wenn mir etwas Passendes angeboten wird.“ Damit sie den nächsten Schritt auf ihrem Lebensweg gehen kann. „Mal sehen wohin der mich führt. Aber ich spüre: Das ist jetzt genau der richtige Moment dafür.“

Mit einem Brief hat sie den Abschied bei den Nachbarn bekannt gemacht.

Nun ist der Moment gekommen,
Abschied zu nehmen vom
„Goldenen Apfel“, vom Haus meiner
Eltern und Großeltern.

Ich sage „Lebe wohl“ dem
wunderschönen Ausblick auf den
Kapellenplatz, den Pilgern, die mit
mir Bücher füllen könnten über
spannende Erlebnisse, ich nehme
Abschied vom liebgewonnenen Alltag
und erfüllender Arbeit.

Ich werde das Haus vermissen, in
dem gute Bewirtung uns eine Pflicht
war, in dem gefeiert, gelacht und
getanzt, wie auch gesungen wurde.

Ein Dank gilt meinen
treuen Mitarbeitern, die über
unfassbar viele Jahre mir und meiner
Familie die Treue gehalten haben.

Wir arbeiteten im Team, als wäre
allein die Arbeit der Sinn des
Lebens.

Bis Ende August führe ich das Hotel
weiter, bewirte die Hotelgäste, doch
das Restaurant bleibt für à la Carte
Gäste geschlossen.

Am 15. Oktober übergebe ich
die Haustürschlüssel.

Glücklich und zuversichtlich bin ich,
den richtigen Schritt zu wagen und
den „Goldenen Apfel“ in andere
Hände zu geben.

Der „Goldene und Silberne Schlüssel“
wird weiterhin von mir geleitet.

All dies hätte ich Euch lieber an
einer gedeckten Kaffeetafel erzählt,
so wie zu meinem Debut im Jahr 1991.

Jutta Pesch-Braun

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