Kevelaer Die Wegwerf-Gesellschaft

Kevelaer · Millionen Tonnen unverdorbener Lebensmittel landen jährlich auf dem Müll, weil ihr Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Supermärkte müssen täglich ausmisten, viele der Waren geben sie in Kevelaer an die Tafel.

Szenenbilder aus "Taste the Waste"
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Nina Schmitz geht lieber auf Nummer sicher. "Sobald etwas das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) überschritten hat, werfe ich es weg", gibt die 27-jährige Kevelaererin zu. "Zum Teil auch vorher – beispielsweise Eier. Das ist mir ein Lebensmittel noch wesentlich länger haltbar und landen unverdorben auf dem Müll. Tonnenweise. 6,6 Millionen Tonnen genießbarer Lebensmittel werden deutschlandweit allein in Privathaushalten vernichtet. Das sind umgerechnet rund 80 Kilo pro Kopf. Verbraucherministerin Ilse Aigner plädiert deshalb für eine bessere Aufklärung. Im Gegensatz zum Verbrauchsdatum wie etwa bei Hackfleisch, Hühnchen und Fisch sei das MHD kein Verfallsdatum. Zurzeit diskutiert das EU-Parlament über eine mögliche Umbenennung des MHD.

Jüngere werfen schneller weg

"Das schnelle Wegwerfen von Abgelaufenem ist typisch für junge Leute", erläutert Wilfried Binn, Vorsitzender der Kevelaerer Tafel. "Sie schauen viel genauer auf das Mindesthaltbareitsdatum als ältere Menschen, die bereits Zeiten erlebt haben, in denen die Lebensmittel knapp waren." Deshalb ist er auch um jede Lebensmittelspende für die soziale Einrichtung dankbar. Der Vorsitzende erhält regelmäßig bald abgelaufene Waren von den umliegenden Supermärkten. Sie achten möglichst darauf, alles vor Ablauf des MHD auszusortieren.

Was trotzdem bereits abgelaufen ist, müssen die Supermärkte vernichten. "Das ist fatal, da die Lebensmittel teilweise noch nicht schlecht sind", sagt Monika Brüggemeier, Geschäftsführerin des Kevelaerer Edekamarkes. "Doch so sind die gesetzlichen Vorgaben, und die Hersteller geben nur bis zum Ablaufdatum ihre Garantie."

Die Tafel hingegen hat mehr Spielraum. "Wir dürfen auch Lebensmittel nach Ablauf des MHD herausgeben", erläutert Vorsitzender Binn. "Dies ist von der Lebensmittelüberwachung abgesegnet. Allerdings prüfen wir alles stichprobenartig und weisen darauf hin." Fisch, Gehacktes und Eierspeisen werden jedoch aussortiert, sofern das nicht vorher bereits erfolgt ist.

"Es ist eine Schande, was alles auf dem Müll landet", sagt Binn. "Etwa Joghurts etwa kann man bis zu drei Wochen nach dem MHD problemlos essen – solange die Kühlkette nicht unterbrochen wurde."

Zudem sollte man sich einfach auf seine Sinne verlassen, rät Gisela Daniels, Leiterin der Verbraucherzentrale in Moers. "Man sollte schauen, ob die Lebensmittel Verfärbungen aufweisen oder ob der Geruch sich verändert hat. Gerade bei Milchprodukten kann man so feststellen, ob etwas noch genießbar ist." Auch eine kleine Kostprobe sei unproblematisch. "Im Zweifel sollten die Lebensmittel jedoch lieber entsorgt werden", sagt Daniels.

(RP/jul)
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