Wallfahrt in Kevelaer Die Tamilen kommen

Kevelaer · Am Samstag reisen 10.000 Tamilen nach Kevelaer, um das Gnadenbild der Maria, die Trösterin der Betrübten, zu sehen und dort zu beten. Doch es geht den Teilnehmern um noch mehr: Die Wallfahrt ist gleichzeitig auch Heiratsmarkt.

 Wenn die Tamilen zur Wallfahrt nach Kevelaer kommen, färbt sich die Stadt bunt, wie hier im Jahr 2015.

Wenn die Tamilen zur Wallfahrt nach Kevelaer kommen, färbt sich die Stadt bunt, wie hier im Jahr 2015.

Foto: Seybert, Gerhard (seyb)

Auf dem Markt, der nur einmal im Jahr zwischen der Basilikastraße und Friedensstraße entsteht, gibt es sie: die große, gelbe, stachelige Jakobsfrucht, die schmeckt wie ein Gemisch aus Ananas und Banane. Die kleinen Guaven mit gelber Schale und rötlichem Fruchtfleisch. Und „Kottu Rotti“, ein Gericht aus zerschnittenem Brot mit Gewürzen, Gemüse, Eiern und Fleisch aus großen Pfannen an kleinen Garküchen.

Wenn die Tamilen zur 31. Wallfahrt nach Kevelaer kommen, färbt sich die Stadt bunt. Viele junge Frauen tragen Saris, die Männer farbenfrohe Hemden, Kommunionkinder kommen in ihren weißen Kleidern. Rund 10.000 Tamilen aus ganz Europa werden am Samstag anreisen, sagt Anja Petrick vom Bistum Essen. Sie ist zuständig für Pastor Niruban Nishanand Tarcisius von der tamilischen Seelsorge, der verantwortlich ist für die Wallfahrt. für Die meisten Pilger reisen aus Deutschland an, viele aus den Niederlanden, aber auch Gläubige aus Norwegen, Schweden und Frankreich haben sich angekündigt.

Die Tamilen kommen, um das Gnadenbild der Maria, die „Trösterin der Betrübten“, zu sehen und dort zu beten. Der Kupferstich in der Gnadenkapelle gilt als Höhepunkt der Reise. Sie kommen aber auch, weil die Wallfahrt für sie wie ein großes Familientreffen ist – und sie dort neue Bande knüpfen können. „Die Wallfahrt ist auch immer ein inoffizieller Heiratsmarkt“, sagt Anja Petrick. „Für viele Familien ist es eine Gelegenheit, dort ihre Kinder einander zu versprechen und Ehen zu arrangieren.“

Die Wissenschaftlerin Thusinta Somalingam von der Universität Mainz schreibt in einer Studie, dass viele Tamilen, die in den 80er Jahren nach Deutschland kamen, innerhalb kurzer Zeit geheiratet haben – hauptsächlich in verabredeten Ehen. „Eltern nutzen die religiöse Plattform, um Ehen zu arrangieren, weil Sakralbauten reine und heilige Orte sind. Somit wird die zukünftige Ehe gesegnet“, sagt Somalingam. „Der Grund dafür liegt meist in der Kultur.“ Für ältere Generationen sei das Kastensystem ein wichtiger Faktor – so würden nur Ehen in derselben Kaste arrangiert. „Und der Ort in Sri Lanka, aus dem man stammt, spielt bei vielen eine Rolle.“ In manchen Fällen heiraten auch Verwandte, damit Familienbande nicht verloren gehen. Trotz der starken Verbundenheit zur tamilischen Kultur habe sich in den vergangenen Jahren viel getan: „Vor allem bei den jüngeren Generationen, die hier geboren oder aufgewachsen sind, gibt es auch viele Liebeshochzeiten.“

Dass es die Tamilen überhaupt nach Kevelaer zieht, hat einen Grund: Im Norden von Sri Lanka, in dem Ort Madhu, gibt es einen ähnlichen Wallfahrtsort. Wie auch in Kevelaer soll dort die Mutter Gottes erschienen sein. Für die in Deutschland und Westeuropa lebenden Tamilen hat die Stadt am Niederrhein darum in den vergangenen 30 Jahren eine ähnlich hohe Bedeutung bekommen wie der Wallfahrtsort in ihrer alten Heimat.

In einer großen Fußprozession werden die Pilger am Samstagvormittag von der Sakristei zum Forum Pax Christi ziehen. Dort findet um 10.45 Uhr die heilige Messe statt. Den Gottesdienst hält Generalvikar Joseph Jabaratnam aus der Diözese Jaffna in Sri Lanka. Am Nachmittag steht eine eucharistische Prozession und Anbetung nach tamilischer Tradition an. Auch das Anzünden einer Kerze – je größer, desto besser – hat für die Tamilen eine besondere religiöse Bedeutung. Generationenübergreifend, in Familien und teils Großfamilien, werden sie sich dann in die Dutzende Meter lange Schlange zur Gnadenkapelle einreihen.

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