Weeze Die stolzen Herren des Buschkönigs

Weeze · Türchen Nummer 4: Der "Männergesangverein Weeze 1913"kann auf 100 Jahre Gesang, Leidenschaft und Zusammenhalt zurückblicken. Über die Jahre sind neben der Musik auch choreigene Bräuche entstanden.

Weeze: Die stolzen Herren des Buschkönigs
Foto: Evers Gottfried

Das Buschfest ist eine besondere Tradition bei den Männern aus Weeze. Jedes Jahr am Vatertag zieht der Gesangsverein los und sucht einen Bauern in der Region auf, der den Wettstreit ausrichten will. "Dort stellen wir eine Dartscheibe auf und packen die Pfeile aus. Wer nach neun Würfen die meisten Punkte erzielt hat, den küren wir zu unserem Buschkönig", sagt Rudolf Dreßel, Geschäftsführer des Chors. Mit dem Amt kommt auch eine Bürde: Der König muss die übrigen Herren zum großen Festmahl in sein Heim einladen. "Den Job übernimmt meist seine Frau, die Buschkönigin", erklärt Dreßel.

Es ist eines der wenigen Male, an dem auch eine Dame dabei sein darf, wenn der Männergesangsverein aus Weeze Traditionen pflegt. Zu Ausflügen fährt die Gruppe an Rhein und Mosel oder besucht Köln und Düsseldorf. Geht es ums Singen, bleiben die 40 Herren ohnehin unter sich. Musikalisch ist das nicht immer einfach. "Manche Lieder sind so geschrieben, dass sie für einen reinen Männerchor wenig Sinn machen", sagt der musikalische Leiter Manuel Hermes. Von den vier Stimmlagen werden Sopran und Alt normalerweise von Frauen gesungen. "Das versuchen wir natürlich zu kompensieren, aber das klappt nicht bei jedem Lied", sagt Dreßel. "Wir singen schön, aber der Tölzer Knabenchor sind wir nicht."

Seinen Ursprung hat der Chor im Jahr 1913. An einem Abend im September trafen sich 16 Sangeslustige in einem Lokal in Weeze. Die Männer waren sich sicher: Die Stadt braucht endlich einen Gesangsverein. Ein Jahr später, noch vor dem Ersten Weltkrieg, trat der Chor erstmals im Saal van de Locht in der Weezer Wasserstraße auf. Es folgten 100 Jahre, in denen die Lust am Singen zwei Weltkriegen und der Weltwirtschaftskrise trotzte. Letztere brachte auch den Chor in Not: 1932 lagen laut Protokoll 155 Billionen Mark in der Kasse - und doch war der Gesangsverein faktisch pleite. Die Inflation hatte die Chorkasse erreicht.

Jeden Donnerstag probt der Gesangsverein im Hotel Jägerhof in Weeze. Neben dem Keyboard im Frühstücksraum steht ein frisch gezapftes Pils. Franz Clahsen brüllt quer durch den Raum: "Rudi, wie lang sin mir scho dabei?" - "20 Jahre", ruft der Geschäftsführer. Es sei eine tolle Gemeinschaft, sagt der 53-jährige Clahsen, der im Bass singt. "Man kommt unter Leute und das Singen hält zusammen." Dann winkt Hermes die Männer ins Hufeisen. So nennt der Chor die Sitzordnung rund um das Keyboard. Noch bis in die tiefen Abendstunden werden aus dem Hotel am Bahnhof Männerstimmen klingen.

Die Weezer verstehen sich ausdrücklich als weltlichen Chor, zu den christlichen Hochfesten singen sie nur selten. Dementsprechend modern sieht ihr Repertoire aus: von Marius Müller-Westernhagens "Freiheit" über "Angels" von Robbie Williams hin zum Country-Hit "Ring of Fire" von Johnny Cash. "Wichtig ist, dass uns die Lieder Spaß machen. Wenn sie dann auch noch einen hohen Bekanntheitsgrad haben: umso besser", sagt Dreßel. Zu Weihnachten plant der Chor ein Benefizkonzert zu Gunsten der Lebenshilfe Gelderland. "Zur Adventszeit lassen wir uns immer etwas Besonderes einfallen."

Doch was unterscheidet den Männerchor am Ende von seinem weiblichen Gegenstück? Dreßel lacht und sagt: "Es gibt weniger Streit untereinander, glaube ich. Und wenn doch mal was ist, klärt man das an der Theke."

Video-Türchen: Für unseren Adventskalender hat der Chor ein Weihnachtslied gesungen. Sie finden es auf den Facebookseiten unserer Redaktionen vom Niederrhein, zum Beispiel auf der Seite "Rheinische Post Wesel - Hamminkeln - Schermbeck - Hünxe" oder via www.facebook.com/rp.wesel

(atri)
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