Weeze Buch über eine jüdische Kindheit in Weeze

Weeze · Normalerweise spielen achtjährige Mädchen mit Puppen oder wünschen sich ein eigenes Reitpferd. Als Edith Devries acht Jahre alt war, musste sie in Theresienstadt "organisieren" gehen – das heißt, heimlich Kartoffeln oder andere Nahrung aufsammeln, die oft schon verfault war. Eine Puppe fand sie einmal aus Zufall, im Schlamm, ohne Arme und Beine.

Normalerweise spielen achtjährige Mädchen mit Puppen oder wünschen sich ein eigenes Reitpferd. Als Edith Devries acht Jahre alt war, musste sie in Theresienstadt "organisieren" gehen — das heißt, heimlich Kartoffeln oder andere Nahrung aufsammeln, die oft schon verfault war. Eine Puppe fand sie einmal aus Zufall, im Schlamm, ohne Arme und Beine.

Drei Jahre in Theresienstadt

Drei Jahre verbrachten das jüdische Mädchen aus Weeze und ihre Eltern in Theresienstadt. Nach außen galt es als "Vorzeigeghetto", in Wirklichkeit war es eine Zwischenstation für den Weitertransport in die Vernichtungslager.

"Ich habe als Kind viele Ängste ausgestanden", sagt Edith Devries schlicht, als sie gestern in der Alten Schmiede ihr Erinnerungsbuch vorstellte: "Nicht mit zu hassen, mit zu lieben bin ich da". Der Untertitel lautet "Eine jüdische Kindheit zwischen Niederrhein und Theresienstadt". In die Schmiede waren auch viele Freunde und Weggefährten von Edith Devries gekommen. Bürgermeister Ulrich Francken sprach zur Einführung. "Ich habe diese Zeit nicht mehr erlebt", sagte er. "Um so mehr habe ich aus der Lektüre gelernt." Zwei Schülerinnen der Johannesschule, Melanie Nauber und Chantal Vosgerau, trugen Passagen des Buches vor. In der Vorhölle von Theresienstadt sei Weeze die große Sehnsucht der Familie gewesen, erzählte Edith Devries. 1945 konnte sie endlich zurückkehren. Bis heute fühle sie sich hier "geborgen". Auch wenn die Gemeinde erst nach langen Jahren eine Gedenktafel für die verfolgten und ermordeten Juden errichtet habe.

"Ich bin oft gefragt worden, wie ich als Jüdin in Deutschland leben kann", schreibt sie in ihrem Buch. "Meine Antwort darauf ist: Ja zum Leben, Nein zum Vergessen." Gegen das Vergessen kämpft Edith Devries auf ihre Weise. Sie hält Vorträge in Schulen, erzählt davon, wie Menschen nachts wahllos für die Todestransporte ausgesucht wurden: "Meine Mutter hat jede Nacht gebetet, dass uns nichts passiert." Sie erzählt von Weezern, die trotz der Nazi-Herrschaft versuchten, der Familie zu helfen. Sie erzählt aber auch von Marion und Rosemarie Koopmann. Für sie gab es aus Auschwitz keine Rückkehr.

Menschenverachtung und Vorurteile gebe es noch immer, sagt Edith Devries. Doch Gegenmittel gebe es auch: Liebe und Respekt.

Info Das Buch "Nicht mit zu hassen, mit zu lieben bin ich da" hat 216 Seiten und kostet 12,95 Euro (ISBN 9 78 38 37 06 08 12). Eine Lesung ist für Mittwoch, 29. Oktober, 19 Uhr, in der Katholischen Bücherei geplant.

(RP)
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