Kevelaer "Bin geheilt. Eure Mutti"

Kevelaer · Dass Maria, die "Trösterin der Betrübten", in Kevelaer Wunder wirkt, behaupten Wilhelm van Aaken und Heinz van de Linde nicht. Doch glauben sie, dass die Muttergottes besondere Kräfte in den Menschen freisetzen kann – und dokumentieren 217 Fälle von rätselhaften Heilungen.

 Seit 1642 wird die Muttergottes in Kevelaer als "Consolatrix afflictorum", als "Trösterin der Betrübten" verehrt.

Seit 1642 wird die Muttergottes in Kevelaer als "Consolatrix afflictorum", als "Trösterin der Betrübten" verehrt.

Foto: RP, Gerhard Seybert

Dass Maria, die "Trösterin der Betrübten", in Kevelaer Wunder wirkt, behaupten Wilhelm van Aaken und Heinz van de Linde nicht. Doch glauben sie, dass die Muttergottes besondere Kräfte in den Menschen freisetzen kann — und dokumentieren 217 Fälle von rätselhaften Heilungen.

Das Telegramm, das Kevelaers Postamt am 15. August 1949 aufnahm, war so schlicht wie ergreifend: "Bin geheilt. Eure Mutti." Geschrieben hat es Maria Offermans an ihre Familie in Aachen- Brand. Mit der Diagnose "Multiple Sklerose — unheilbar" hatte sich die 45-Jährige verzweifelt auf den Weg nach Kevelaer gemacht, denn dies war der beste Tipp, den ihr Arzt für sie hatte: "Beten Sie doch zur Muttergottes, wenn Sie sich stark genug für die Reise fühlen."

Mehr kriechend als gehend bewältigte sie an Krücken den Kreuzweg und erreichte mit letzter Kraft die Gnadenkapelle. Während des Gebets kniete die Kranke nieder und spürte plötzlich, dass sie würde aufstehen können. Maria Offermanns erlebte viele gesunde Jahrzehnte, bis sie knapp 90-jährig starb.

217 Fälle von rätselhafter Heilung

Diese und ähnliche Geschichten haben zwei pensionierte Lehrer aus Kevelaer und Goch zusammengetragen und daraus ein Buch über vier Jahrhunderte Spontanheilungen im Wallfahrtsort Kevelaer gemacht. "Ich bin geheilt" heißt das Werk, in dem 217 Fälle von rätselhaften Heilungen aufgelistet sind.

Über wenige Fälle ist so viel bekannt wie über das Schicksal der Aachenerin, aber alle sind dokumentiert und von Ärzten oder Priestern bezeugt. Das Wort "Wunder" verwenden die Autoren nicht, aber mit rein wissenschaftlichem Verstand seien die Heilungen nicht zu erklären, sagt Wilhelm van Aaken, der am Kevelaerer Gymnasium unterrichtete. Schüler hatten ihn einst motiviert, sich des Themas anzunehmen und gemeinsam mit dem Kollegen Heinz van de Linde aus Goch zu sammeln.

In alten Mirakel-Büchern, Archiven und Bibliotheken wurden die Männer fündig. Sie befragten Augenzeugen und Verwandte der Geheilten und hatten es auch mit Zweifeln und Widerständen zu tun. Wichtigste frühe Quelle war der Text "Verhael van de Mirakelen" von 1647, der mit der Synode zu Venlo (1642) beginnt, bei der acht Heilungen von der Versammlung der Geistlichen und Ärzte anerkannt wurden.

Oftmals sind es nur Namen, Orte, Daten, Krankheitsbeschreibungen und das unerhörte Ereignis samt Zeugenaussagen, das in wenigen Zeilen beschrieben wird, manchmal wurden rührende Geschichten überliefert.

Die beiden Lehrer erklären sich die Vorfälle durch den hohen psychischen Druck der Kranken, die mobilisierende Wirkung der vielleicht letzten großen Hoffnung auf ein "Wunder". Dass es allein die Selbstheilungskräfte der Gläubigen waren, glauben die Autoren jedoch nicht. Und die Hunderttausende Pilger, die sich Jahr für Jahr an die Trösterin der Betrübten wenden, glauben das auch nicht.

Beispiele für rätselhafte Heilungen im Zusammenhang mit Kevelaer:

Peter van Volbroeck, fünfjähriger Sohn von Reynier van Volbroeck und seiner Ehefrau Margarita, lebte 1642 in Hassum, das heute zu Goch gehört. Der Junge sei gelähmt gewesen, heißt es, "und zwar so, dass er weder gehen noch stehen konnte, sondern nur kriechen". Seine Eltern haben mit festem Vertrauen am Geburtstag Unserer lieben Frau im Jahr 1642 ihre Zuflucht zur Muttergottes von Kevelaer genommen. Ihr Sohn sei danach vollständig gesund geworden, so dass er "gut und rasch gehen und laufen konnte." Die Heilung des Kindes wurde auf der Venloer Synode als Wunder anerkannt.

Maria Spiertz aus Heinsberg hatte nach einem Schlaganfall ihr Sprachvermögen verloren. Jahrelang pilgerte sie mit ihrer Schwester als Betreuerin nach Kevelaer, bis der Wunsch, selber Marienlieder singen zu können, so mächtig wurde, dass ihr genau dies eines Tages gelang: Am 3. September 1934 hörten die Umstehenden auf dem Kapellenplatz, wie die 50-jährige Frau, die seit zwei Jahren keinen Ton gesagt hatte, plötzlich laut mitsang. Ein herbeigerufener Pfarrer erkannte, die Frau sei "schlicht, einfach und ehrlich, nicht hysterisch". In Kevelaer lebt noch heute die Augenzeugin Margarete Kreuels.

Sophia Dubbers wurde in Düsseldorf geboren. Später lebte sie als Ordensfrau im Kloster Gerresheim und litt ab 1659 an Lähmung und Fallsucht (Epilepsie). Sie wurde von zwei Ärzten erfolglos behandelt und gelobte schließlich, die heilige Mutter Gottes in Kevelaer zu besuchen. Auf der Reise an den Niederrhein wurde sie sehr krank und musste in die Gnadenkapelle getragen werden. Während sie den Rosenkranz betete, soll sie neue Kraft verspürt haben und danach gelaufen sein. Epileptische Anfälle kamen nicht mehr vor. Düsseldorfer Kanoniker bezeugten den Fall; Mirakelbuch von 1667.

Ida Faussen litt unter unerträglichen Schmerzen, als sie am 29. Juli 1688 mit einer Prozession von Venlo nach Kevelaer kam. So elend war sie zuvor gewesen, dass sie nicht einmal dem Gottesdienst in der heimischen Kirche hatte folgen können. Sie fürchtete, dass sie den Weg nach Kevelaer niemals würde bewältigen können, denn die Ferse ihres einen Fußes war komplett verdreht und der ganze Fuß verkrüppelt. Doch sie kam ohne Mühe bis nach Kevelaer, heißt es, und war seitdem geheilt. Die Entstellung war verschwunden. Diese Heilung ist im Mirakelbuch aus Roermond beschrieben.

(RP)
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