Stadt Kempen Zwei Seelenverwandte in der Kempener Paterskirche

Stadt Kempen · Wenn man nach langer Flugreise gleich am Tag seiner Ankunft in der Paterskirche in Kempen spielt, dann bekommt man keinen Jetlag. So erzählte der Pianist Vadim Neselovskyi am Mittwochabend dortselbst, wo er gemeinsam mit dem Hornisten Arkady Shilkloper ein wunderbares Konzert gab. Schon die Kombination der Instrumente versprach Spannendes, denn Shilkloper spielt Althorn, Alphorn und Flügelhorn.

 Vadim Nesellovskyi (links) und Arkady Shilkloper begeisterten ihr Publikum in Kempen.

Vadim Nesellovskyi (links) und Arkady Shilkloper begeisterten ihr Publikum in Kempen.

Foto: Mischa Blank

Neselovskyi bevorzugte am Piano die höheren Lagen und schlug auch nicht allzu sanft an. Zum eher sonoren, runden und warmen Klangbild von Shilklopers Hörnern setze er so von Anfang an einen klaren Gegenpol, und dies war nur ein Faktor in dem Spannungsfeld, das zwischen den beiden Musikern knisterte. Neselovskyi, der als 17-Jähriger aus Odessa nach Dortmund kam, seine Ausbildung in der Ukraine, in Deutschland und den USA erhielt und heute überwiegend in Brooklyn, New York lebt, wirkte wie ein Poet mit etwas härterer Aussprache, so dass selbst seine lieblichsten Läufe dem Ohr zwar schmeichelten, es aber nie verschmalzten. Shilkloper, ein russischer Jude aus Moskau, der sich in Berlin niederließ, in Ost und West mit den besten Orchestern arbeitete und fast nebenbei das Alphorn revolutionierte, zeigte sich besonders reich an Tricks in Sachen Tonbildung und brachte es sogar fertig, auf dem Althorn zu klingen wie eine umherschwirrende Brummfliege, die versucht, den Trompetenton von Miles Davis zu imitieren.

Mal im Wechsel, mal im Zusammenklang, mal energisch, mal lyrisch, bauten sie immer wieder auf's Neue subtile Steigerungen auf. Besonders schön gelang ein alpin inspirierter Sketch, den Shilkloper auf dem langen Alphorn blies. Er verzierte die hymnischen Linien mit blitzenden Kristallen und erweckte darüber hinaus den Eindruck, als würden die Saiten des eigentlich schweigenden Pianos mitschwingen, bis er in einen perkussiv rockenden Rhythmus wechselte, zu dem auch Neselovskyi einstieg. Herrlich auch ein ähnlich beginnendes Stück, das er aber mit unglaublicher Raffinesse aus den Alpen heraus hin zu Gershwin schmuggelte, oder eine dramatische Zeichnung, ausgeführt von beiden Instrumenten mit Stiften von unterschiedlicher Härte, die in ihrem Spannungsreichtum als Soundtrack für einen Film Noir getaugt hätte. Da lagen auf Neselovskyis Klaviatur für ein Weilchen die Spielweisen von Keith Jarrett und dem frühen Paul McCartney, etwa in "Lady Madonna", ganz dicht beieinander. Seit fünf Jahren spielen Shilkloper und Neselovskyi nun zusammen, und ihre Seelenverwandtschaft klang in jeder Note.

(RP)
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