Stadt Kempen Zufallsbekanntschaft löst Hilfsaktion aus

Stadt Kempen · 20 Jahre lang hat der Verein "most kempen" mit vielerlei Projekten die deutsch-polnische Freundschaft gefördert. Zunächst mit ganz praktischen Hilfen, dann vor allem im zwischenmenschlichen Bereich. Morgen löst sich der Verein auf. Das Interesse und vielleicht auch die Notwendigkeit sind nicht mehr gegeben, sagt der Vorsitzende Bjarne Norlander.

 Eines der vielen Gastgeschenke an die Besuche in Ulanów ist dieses originelle Schiff. Es wird Bjarne Norlander an die zahlreichen Hilfsprojekte und Besuche bei den polnischen Freunden erinnern.

Eines der vielen Gastgeschenke an die Besuche in Ulanów ist dieses originelle Schiff. Es wird Bjarne Norlander an die zahlreichen Hilfsprojekte und Besuche bei den polnischen Freunden erinnern.

Foto: Wolfgang Kaiser

"Wir haben mehr zurück bekommen als wir gegeben haben", stellt der Vereinsvorsitzende von "most" rückblickend fest. Und: "Wir waren immer Partner auf Augenhöhe." Eigentlich war es nur eine zufällige Begegnung, die zur Gründung des Vereins führte. Bjarne Norlander und seine Frau Doris feierten mit vielen anderen auf dem Buttermarkt am 3. Oktober 1990 die Deutsche Einheit.

Dabei fiel Doris Pieper-Norlander ein junger Mann auf, der alleine in der Menge stand. Spontan sprach sie ihn an, weil sie meinte, er käme vielleicht aus Ostdeutschland. Nein, Jan Kosior kam aus Polen und besserte in Kempen sein mageres Lehrergehalt als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft auf. Neugierig geworden, lud sie ihn zum Kaffee ein.

Er erzählte von seiner polnischen Heimat Ulanów und dem Dorf Dabròwka in der Nähe der ukrainischen Grenze. Für die Norlanders waren Polen ein vollkommen unbekanntes Land. Aus der Zufallsbekanntschaft entwickelte sich eine Freundschaft. 1992 fuhr das Ehepaar das erste Mal nach Ulanów.

Eine Fahrt voller Abenteuer, erinnert sich Norlander. Die Straßen waren schlecht, es gab keine Ortsschilder, keine Telefonverbindung. Und es waren rund 1400 Kilometer mit dem Auto zu bewältigen. Aber schon auf dieser Fahrt erlebten die Norlanders beeindruckende Gastfreundlichkeit. Und wurden auch bescheiden angesichts der Verhältnisse im Land. "Worüber beklagen wir uns?" hätten sie sich damals gefragt, erinnert sich Norlander.

Schnell war der Gedanke geboren, hier zu helfen. Hilfe zur Selbsthilfe sollte es sein, da waren sich Norlanders und Kosior einig. Städtepartnerschaften konnten Fördergelder erlangen, wusste Kosior. Allerdings wollte der Rat der Stadt Kempen einer offiziellen Städtepartnerschaft nicht zustimmen. Doch gab es durchweg für die Vorhaben in Polen Unterstützung aus allen Parteien. So wurde am 15. Dezember 1994 der Kempener Verein most gegründet.

Zunächst ging es erst einmal um ganz konkrete Hilfe. Krankenhausausstattung wurde organisiert oder auch veraltete Computertechnik, die aber durchaus noch in Polen ihren Dienst leisten konnten Auch beim großen Oderhochwaser half der Verein tatkräftig mit Material. Jede Fahrt immer wieder ein Abenteuer. So Norlander. Einmal kam in unwegsamem einsamen Gelände ihr Lastwagen von der Straße ab und wie durch ein Wunder tauchte ein Kran auf, der das voll beladene Gefährt wieder auf die Straße hievte.

Oder es gab Schwierigkeiten beim Zoll, weil Stempel fehlten. Aber selbst nach Fahrten von mehr als 20 Stunden, die mühselige Reise noch in den Knochen, war alles schon eine halbe Stunde nach der Ankunft angesichts der Dankbarkeit und Freude bei den polnischen Freunden vergessen, so Norlander. Immer noch ist er für die großzügigen Spenden dankbar, die die Transporte ermöglichten. Ebenso den Spediteuren, die ihnen vertrauensvoll ihre Lastwagen zur Verfügung stellten.

Im Laufe der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in Polen wurde aus der praktischen Hilfe ein kultureller Austausch. So unterstützte Most den Wiederaufbau der schlesischen Landesoper in Beuthen. Das wiederum bescherte der Stadt Kempen wunderschöne Konzerte mit den dortigen Künstlern.

Ebenfalls entstand langsam ein Jugendaustausch. Eine Sache, die Norlander sehr am Herzen liegt. Schließlich ist der 72-jährige lange Jahre Leiter des Jugendheims Mounty in Tönisberg gewesen. 1999 begann es mit vier Jugendlichen. Durch die Zusammenarbeit mit den Schulen, vor allem dem Thomaeum und der Erich Kästner Realschule, wurden es mehr Jugendliche, die sich für einen Besuch in Polen interessierten. Insgesamt 15 Begegnungen gab es so in den letzten Jahren. Und er hofft, dass dies das Ende von Most überdauert. Anzeichen von den Schulen gibt es dafür und Norlander ist gerne bereit, dabei noch mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

"Wir wussten nicht, wo die Reise hingeht", zieht Norlander Bilanz. Er und seine Mitstreiter im Verein auf deutscher wie auch polnischer Seite hätten auch oft kämpfen müssen, es gab Ärger, Termine klappten nicht, es gab viel Stress bei der Organisation. Aber, so Norlander: "Es ist ein Geschenk, dass sich so etwas wirklich lohnt." Und: "Summa sumarum eine schöne Sache."

(sr)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort