Serie Zu Gast . . . Im Kloster Wo Gott die Welt in seine Hand nimmt

Kempen · Eine RP-Serie entführt an ungewöhnliche Orte und stellt Themen in den Mittelpunkt, die sonst nicht in der Öffentlichkeit stehen. Heute geht es um das Leben der Gäste und Nonnen in der Grefrather Abtei Mariendonk.

 Schwester Anna empfängt RP-Mitarbeiterin Stefanie Wickrath an der Pforte der Abtei Mariendonk.

Schwester Anna empfängt RP-Mitarbeiterin Stefanie Wickrath an der Pforte der Abtei Mariendonk.

Foto: achim hüskes

MÜLHAUSEN Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt an einem Sonntagmorgen den Wecker auf 6.15 Uhr gestellt habe. Vermutlich war es vor einer Reise, die mit einem frühen Flug begann. Auf einer Reise befinde ich mich auch jetzt. Eine Reise zu mir, eine Reise zu Gott. Seit einigen Stunden bin ich zu Gast in der Benediktinerinnen-Abtei Mariendonk in Mülhausen. Wer hier wie ich das Wochenende verbringt, sucht Ruhe, Zeit zum Nachdenken, Zeit zur inneren Einkehr und das Gefühl, aufgefangen zu werden in einer Glaubensgemeinschaft.

Die meisten Gäste um mich herum - alle 16 Zimmer im Gästetrakt sind an diesem Wochenende belegt - waren schon oft hier. Sie schätzen die Beständigkeit, die das Kloster ausstrahlt, den immer gleichen Tagesablauf, der mit dem frühen Morgengebet, Matutin genannt, beginnt, das aus der Dunkelheit der Nacht in das Licht des Tages führt. Die Mittagshore, zu der Nonnen und Gäste sich um 11.30 Uhr in der Kirche, die zur Abtei gehört, wiedertreffen, dient zum Innehalten in der Mitte des Tages. In der Vesper um 18 Uhr danken alle Gott für den Tag und bei der Komplet um 20 Uhr wird Gott gebeten, die Welt in seine schützende Hand zu nehmen.

Dabei sind die öffentlichen, halbstündigen Gebetseinheiten nicht mit den Messen oder Gottesdiensten zu vergleichen, die sonst in christlichen Kirchen gefeiert werden. Vielmehr singen die Nonnen die Psalmen, die ältesten Gebete der Heiligen Schrift, aus dem zum Kirchenjahr passenden Offizium. Vor den Gebetseinheiten sammeln sich die 31 Benediktinerinnen, die in Mariendonk leben, im Kreuzgang. Wir Klosterbesucher auf Zeit kommen durch einen anderen Eingang in die schlichte, schöne Kirche.

Darüber hinaus gibt es für Gäste Angebote wie Bibelstunden und auf Wunsch persönliche Gespräche mit den Nonnen. Auch ist es möglich, im Garten oder in der Küche mitzuarbeiten. Ansonsten leben Gäste und Nonnen getrennt voneinander. Auch die Mahlzeiten werden nicht gemeinsam eingenommen. Außer Radtouren - Leihfahrräder stehen zur Verfügung - und Wanderungen hat der Gast im Kloster nicht viel Zerstreuung. Es gibt bewusst kein Fernsehgerät, kein Radio und kein W-Lan im Gästetrakt.

Aber die Zimmer sind mit einem Schreibtisch ausgestattet, der dazu einlädt, Gedanken und Empfindungen aufzuschreiben. Auch ein bequemer Lesesessel steht im Zimmer, daneben eine kleine Auswahl an Literatur. Mehr Bücher finden sich in der Bibliothek, die für die Gäste des Hauses zugänglich ist. Die Bücher sollen, ebenso wie die Ruhe und die fehlende Ablenkung, dazu einladen, die Freiheit und Weite des Denkens auszuschöpfen.

Wer hier lebt, und sei es auch nur auf Zeit, der verbringt viele Stunden mit sich und seinen Gedanken. Das muss man aushalten können. Aber es gibt offensichtlich viele Menschen, die das können und suchen. Rund 3000 Übernachtungen verbuchte die für die Gäste zuständige Schwester Rebekka im vorigen Jahr. Zweidrittel der Gäste sind weiblich, nicht alle sind katholisch. Verdienen wollen die Nonnen an ihren Gästen nicht. Vielmehr erwirtschaften sie ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf von Hostien, Kerzen und liturgischen Gewändern, die in Weberei und Stickerei, die zum Kloster gehören, hergestellt werden. Wer übrigens meint, das Leben im Kloster sei freud- und genusslos, der irrt. Es wird viel gelacht im Haus, der Umgangston ist herzlich und das Essen ist hervorragend. Wer so nah bei Gott ist, dem soll es an nichts Wesentlichem fehlen.

Meine Zeit im Kloster ist jetzt um. Ich bin wieder bereit, für den Trubel "da draußen". Ich habe auf meiner Reise Energie getankt und die Zeit genutzt, um darüber nachzudenken, was mir wirklich wichtig ist im Leben. Zurück bleiben Demut und Dankbarkeit. Auch das kann man im Kloster finden.

(WS03)
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