Kreis Viersen Vom Bundestag ins Krankenhaus

Kreis Viersen · Im Allgemeinen Krankenhaus in Viersen hat Bundestagsabgeordneter Uwe Schummer gestern einen Einblick in die Arbeit des Pflegepersonals bekommen. Die Eindrücke nimmt er nun mit nach Berlin.

 Praktikant Uwe Schummer durfte mit Bereichsleiterin Nadine Lafontaine gestern auf der Station 1c im AKH Viersen Essen an die Patienten verteilen - hier eine Maultaschenpfanne mit Gemüse.

Praktikant Uwe Schummer durfte mit Bereichsleiterin Nadine Lafontaine gestern auf der Station 1c im AKH Viersen Essen an die Patienten verteilen - hier eine Maultaschenpfanne mit Gemüse.

Foto: Ronge

Dass der weiße Kittel in Größe 54 passt, ist die erste gute Nachricht des Tages für Uwe Schummer. Der CDU-Bundestagsabgeordnete hat sich für ein Praktikum im Allgemeinen Krankenhaus (AHK) in Viersen angemeldet, und dazu gehört auch das passende Outfit aus der Wäschekammer. Schummer hatte mit Größe 56 gerechnet, jetzt tut es auch Größe 54. Ein perfekter Start. Er bekommt ein Schildchen, auf dem steht: "Uwe Schummer. Praktikant". Aber das könnte man auch weglassen, viele Patienten erkennen ihn auch so. "Ich war mal bei ihnen in Berlin", freut sich eine Patientin, als Schummer ins Zimmer kommt. Doch zuvor muss er sich überall die Hände desinfizieren, das Mittel einwirken lassen. "30 Sekunden", murmelt Schummer. Das hat er schon gelernt.

Er begleitet heute Nadine Lafontaine, die als Bereichsleiterin auf Station 1c, der kardiologischen Station, tätig ist. Die beiden holen Patienten auf der Intensivstation ab und bringen sie zu einer Untersuchung in die Kardiologie, wischen in den Patientenzimmer die Tische mit Desinfektionsmittel ab, prüfen, ob alle Patienten genügend zu trinken haben, und teilen am Mittag das Essen aus. Es gibt überbackene Tortellini, Fisch oder eine Maultaschenpfanne mit Gemüse. Der Wagen, der aus der Küche kommt und in dem die Tabletts warm gehalten werden, ist schwer. Als Lafontaine die Wagentür öffnet, wird es warm im Flur. Schummer stehen ohnehin längst die Schweißtropfen auf der Stirn. "Ich möchte wohl mal wissen, wie viele Kilometer man hier am Tag zurücklegt. Einen Schrittzähler müsste man haben." Tatsächlich tragen manche Mitarbeiter solche Schrittzähler, berichtet Elke Harms, AKH-Pflegedirektorin. 10 000 bis 15 000 Schritte kommen da am Tag zusammen. Viel zu gehen ist eigentlich gut, sagen Ärzte. Aber es ist auch anstrengend, wie Schummer feststellt.

Zwölfeinhalb Vollzeitstellen gibt es für die Station 1c. Mit Voll- und Teilzeitkräften, Schülern und Praktikanten arbeiten 26 Menschen dort. Würde Schummer bleiben wollen, könnte er gleich anfangen, findet Bereichsleiterin Lafontaine. Doch ein wichtiges Detail spricht dagegen: "Ich kann kein Blut sehen", sagt Schummer. "Ich wäre vielleicht besser für die Betreuung geeignet, für die ,sprechende Medizin'." Mit den Patienten zu reden, Zeit für sie zu haben, hält Schummer für sehr wichtig. Er sieht an diesem Tag aber auch, wie wenig Zeit die Pflegekräfte dafür haben.

Der Bundestagsabgeordnete hospitiert seit Jahren bei Unternehmen oder Einrichtungen in der Region, um "Eindrücke von der Basis" zu sammeln und diese mit nach Berlin zu nehmen. "Es ist gut, wenn auf solche eigenen Erfahrungen zurückgreifen kann, nicht nur die Papierlage kennt", sagt er. Das Praktikum im Krankenhaus soll helfen, Erfahrungen zu sammeln, bevor im September die nächste Diskussion um das geplante Krankenhausstrukturgesetz ansteht, das 2016 in Kraft treten soll.

Über die Krankenhausreform wird derzeit viel diskutiert. Unter anderem ist ein Pflegestellen-Förderprogramm vorgesehen - 660 Millionen Euro sollen von 2016 bis 2018 bereit gestellt werden für neue Stellen in der Pflege, für die Folgejahre sind 330 000 Euro pro Jahr vorgesehen. Es geht bei der Reform um Qualitätssicherung, um die Krankenhausfinanzierung und einiges mehr. Beispielsweise wird überlegt, Krankenhäusern, die eine Notfallversorgung vorhalten, einen Zuschlag zu geben - denn sie müssen für Notfälle immer alles bereit halten, auch wenn gerade kein Notfallpatient eingeliefert wird. Sie haben dadurch auch dann Kosten, wenn sie gerade nicht behandeln. Anders ist das in Fachkliniken, die ihre Belegung planen können. Der Notfallzuschlag sei, so sagt Dr. Thomas Axer, "ein Schritt in die richtige Richtung". Allerdings weisen Axer und Kim-Holger Kreft, beide Geschäftsführer des AKH, auch auf die Fallpauschale hin, die die Krankenhäuser von den Krankenkassen pro Fall erhalten. Das Geld, das die Krankenhäuser bekommen, deckt in der Regel nicht die Ausgaben, die das Krankenhaus für die Behandlung eines Patienten hat. Und die Zeit, mit dem Patienten ein Gespräch zu führen, ist in die Fallpauschale nicht eingerechnet. Doch der Mensch, der Patient, sei etwas anderes als ein Auto, das sich in einer Werkstatt befinde, sagt Axer. Schummer stimmt zu: "Das entspannte Sprechen mit dem Patienten sollte man mit in die Fallpauschale aufnehmen." Darüber müsse man mit den Krankenkassen noch mal reden. Auch müsse das Pflegepersonal auftanken können, sagt Schummer. Er habe heute gesehen, wie hoch die körperliche Belastung sei, aber auch, wie groß der Stress sei, wenn etwas Unvorhergesehenes passiere. Der Stress durch solche überraschenden Dinge werde als enorm empfunden, bestätigt Axer: "Wir haben zunehmend Mitarbeiter, die darüber krank werden."

Einige Erfahrungen aus Viersen nimmt Schummer nun mit nach Berlin. Die Erkenntnis, dass man sich im Krankenhaus ständig die Hände desinfizieren sollte, ebenso.

(RP)
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