Gemeinde Grefrath Versöhnung im Beichtstuhl

Gemeinde Grefrath · Interview Warum sollten gläubige Menschen heutzutage noch beichten gehen? Johannes Quadflieg, Regionaldekan der Region Kempen-Viersen und Pfarrer in Grefrath, spricht über ein Sakrament, das zu seinem Bedauern an Bedeutung verliert.

Wer zu Pfarrer Johannes Quadflieg in den Beichstuhl in der Grefrather St. Laurentius-Kirche geht, hat die Wahl: Entweder setzt sich der Beichtende in die rechte, unbeleuchtete Kammer, die ein "Fenster" mit Holzmaschen hat. So weiß Quadflieg nicht, wer ihm beichtet. Oder aber der Beichtende geht in die linke Kammer. Sie ist beleuchtet und hat eine große Öffnung zur Kammer in der Mitte. Dort sitzt der Priester. Die meisten entscheiden sich für diese Variante.

Herr Quadflieg, wie funktioniert eigentlich Beichten? Ich komme in den Beichstuhl...

Johannes Quadflieg ... dann machen Sie das Kreuzzeichen und sagen, was Sie beichten möchten. Sie bringen das ins Gespräch, was Ihnen auf dem Herzen liegt und was Sie vor Gott eingestehen möchten.

Wie geht es weiter?

Quadflieg Dann versuche ich, die Punkte mit Ihnen zu bedenken. Ich erkläre, dass Gott barmherzig ist und bereit ist zu vergeben. Im Gegenzug müssen Sie aber bereit sein, umzukehren und neu zu beginnen. Durch die Lossprechungsformel spreche ich Sie, im Namen Gottes, von Ihren Sünden los. Danach trage ich Ihnen auf, entweder einen Psalm oder ein Gebet zu beten.

Warum sollte ich überhaupt beichten gehen?

Quadflieg Wenn ich beichten gehe, ist das immer Entlastung und Befreiung. Zumindest vor Ostern und Weihnachten sollte man als Christ schon beichten gehen, sich also mit Gott versöhnen, damit man diese wichtigen Zeiten als versöhnter Mensch erlebt.

Das klingt ja gut: Eine Sünde nach der nächsten begehen, danach beichten und alles ist wieder in Ordnung und ich mache so weiter wie vorher.

Quadflieg So einfach ist das nicht. Es geht nicht darum, einfach so weiterzumachen. Sie müssen ihr Fehlverhalten bereuen und sich vornehmen, dieselben Fehler nicht erneut zu machen.

Warum brauche ich dafür einen Priester?

Quadflieg Der Priester ist ein von Gott eingesetzter Diener göttlicher Gnade auf Erden. Nur er darf den Beichtenden von den Sünden lossprechen.

Stimmt es, dass Sie auch dann nicht zur Polizei gehen dürfen, wenn Ihnen jemand einen Mord beichtet?

Quadflieg Ja, dafür gibt es das Beichtgeheimnis. Mir ist das noch nicht passiert, aber bei Gefängnispfarrern kommt das natürlich häufiger vor.

Und einen Mörder würden Sie auch bloß mit einem Psalm oder einem Gebet nach Hause schicken?

Quadflieg Einem Mörder rate ich, seine Schuld der Staatsanwaltschaft zu gestehen. Gottes Erbarmen ist das eine, aber Gesetze und die Gerechtigkeit in der Gesellschaft das andere.

Was beichten Ihnen die Menschen denn?

Quadflieg Die Älteren machen es häufig an den zehn Geboten fest, also ,Du sollst deinen nächsten Lieben wie dich selbst' und ,Du sollst nicht stehlen'. Ich sehe aber eine Tendenz in der Gesellschaft, dass vieles nicht mehr als Sünde betrachtet wird. Das merke ich auch als Religionslehrer, wenn ich mit Kindern zu tun habe. Oder nehmen Sie die Entstehung der Wirtschaftskrise, da sind sich viele der Schuldigen auch keines schuldhaften Vergehens bewusst.

Das klingt nicht so, als würden noch viele Menschen zur Beichte gehen.

Quadflieg Das ist richtig. An jedem ersten Samstag im Monat können die Leute in Grefrath zum Beichten in die Kirche kommen. Meist sind es nicht mehr als ein bis zwei Christen. Als ich vor 19 Jahren als Priester angefangen habe, waren es mehr. Das Sakrament der Beichte ist nicht mehr up to date.

Ist das denn so schlimm?

Quadflieg Das ist nicht die richtige Fragestellung. Es ist bedauerlich, wenn immer weniger Menschen beichten. Es geht leider verloren, dass Gott barmherzig ist. Ich bin davon überzeugt, dass Menschen nur vergeben können, wenn sie selbst Vergebung erfahren. Wenn wir unseren vergebenden und barmherzigen Gott ausblenden, laufen wir Gefahr, am Ende nur noch uns selbst zu sehen.

Können Sie sich eigentlich selbst von Ihren Sünden lossprechen?

Quadflieg Natürlich nicht. Ich gehe sieben bis achtmal pro Jahr beichten, seit 23 Jahren beim selben Pfarrer. Ich gehe aber nicht in einen Beichtstuhl, sondern führe ein Beichtgespräch mit ihm in seiner Wohnung.

Wann waren Sie zuletzt beichten?

Quadflieg Gestern. Am Mittwoch habe ich oft einen freien Tag, den nutze ich dafür.

Sebastian Dalkowski führte das Gespräch.

(RP)
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