Serie Vor 75 Jahren Venlo im todbringenden Herbst 1944

Kreis Viersen/Venlo · Drei Bombardements in einem Monat: Den Maas-Brücken kam aus alliierter wie aus deutscher Sicht große strategische Bedeutung zu.

 Die niederländische Grenzstadt Venlo nach dem Bombardement 1944.

Die niederländische Grenzstadt Venlo nach dem Bombardement 1944.

Foto: Wim Spapens

Es waren alliierte Flugzeuge, die wie auf das benachbarte deutsche Reichsgebiet im Herbst 1944 ihre todbringenden Bomben auch auf Venlo abwarfen. Aber diese galten den Deutschen, die die wichtige Grenzstadt an der Maas noch immer besetzt hielten. Der strategisch bedeutsame Maasübergang rückte auch Venlo ins Blickfeld der von Westen sich nähernden alliierten Militärmacht, insbesondere ihrer Luftwaffe. Ferner war der Fliegerhorst in der Venloer/Heronger Heide ein ernstzunehmendes Angriffsziel.

Als niederländische Grenzstadt hatte Venlo schon seit Hitlers Überfall auf das Königreich im Mai 1940 großes Leid, Erniedrigung und Zerstörung ertragen müssen, die größte Verwüstung der Stadt stand freilich noch bevor. Kriegsstrategisch von Bedeutung und immer noch in fester Hand der deutschen Besatzer, wurde Venlo mit seinen zwei Maas-Brücken im Oktober und November 1944 Ziel verheerender alliierter Luftangriffe. Nicht nur die Menschen im unmittelbar angrenzenden Reichsgebiet verbrachten große Teile dieser Zeit in Luftschutzkellern und schließlich auf der Flucht in die Evakuierungsorte, auch die Venloer mussten in Angst vor dem Tod entsetzliche Monate durchleben.

Im September ordnete die Wehrmacht für Venlo den Bau von Panzergräben an. Die Venloer Brücken erwiesen sich zunehmend als Hauptzufuhrwege für die Versorgung der Deutschen in den noch in ihrer Hand befindlichen Gebietsteilen auf der linken Maasseite. Die Alliierten setzten alles daran, sie zu zerstören. Insgesamt wurde Venlo zwischen dem 13. Oktober und 19. November 1944 zum Ziel von 13 Bombardements, eine Katastrophe für die Stadt, deren altes Zentrum fast vollständig vernichtet wurde. Hunderte Menschen kamen zu Tode. Schon beim ersten Angriff waren 41 Opfer zu beklagen.

Entsetzlich war auch der Angriff auf Venlo am Mittag des stürmischen 5. November, an dem die Klaaskerk, die Klaasstraat und verschiedene Schulen getroffen wurden. Und das war nicht alles: Unvergessen bis heute ist zum Beispiel jene Razzia, die die Deutschen am 8. Oktober, einem Sonntag, während der Frühmesse in den Peeldörfern veranstalteten und dabei zahlreiche Männer festnahmen, zum Bahnhof nach Venlo und von dort zum Arbeitseinsatz nach Deutschland verschleppten. Vier Tage später traf 360 Männer aus Venlo das gleiche Schicksal.

 Reste des ehemaligen deutschen Fliegerhorstes in der Venloer Heide – im Bild ein Gefechtsturm – sind bis heute in dem Naturschutzgebiet zu sehen.

Reste des ehemaligen deutschen Fliegerhorstes in der Venloer Heide – im Bild ein Gefechtsturm – sind bis heute in dem Naturschutzgebiet zu sehen.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Als die Front, deren Schusswechsel in Venlo Tag und Nacht zu hören war, sich ungeachtet deutscher Gegenwehr näherte, und die Maas-Brücken den vorrückenden Alliierten in die Hände zu fallen drohten, vollendete die Wehrmacht das Werk der vielen Bomberangriffe und sprengte die Brücken am 25. Oktober.

Trotz allem stockte der Vorstoß der Alliierten. Im Dezember 1944 waren Venlo und Roermond Frontgebiet geworden, während das deutsche Militär zum Beispiel aus Eindhoven schon lange vertrieben worden war. Die Kämpfe in Arnheim und Umgebung im Norden Venlos mit zahllosen britischen und amerikanischen Gefallenen und die den Vormarsch verzögernden Auswirkungen der Ardennen-Offensive im Süden waren Fixpunkte einer Entwicklung, die Venlo und Roermond noch viele Wochen lang auf die Befreiung warten ließen. Zu den Zerstörungen der Stadt Venlo durch die alliierten Bomben kamen empfindliche Versorgungsprobleme, bald auch die Evakuierung mit vielen Opfern und schrecklichen Entbehrungen.

Am 11. Dezember 1944 erklärten die Deutschen das Venloer Stadtzentrum zum Sperrgebiet. Alle Bewohner mussten die Innenstadt, beziehungsweise das was von ihr noch übrig war, verlassen. Die Befreiung Venlos gelang schließlich nicht von der anderen Maas-Seite her, sondern durch eine amerikanische Panzereinheit unter Oberstleutnant George Dalia, die von Kaldenkirchen aus heranrückend, am 1. März 1945 in die geschundene Maasstadt einmarschierte. Hier hatte man eher die Engländer erwartet, die Blerick schon erobert hatten.

Der Fliegerhorst nordöstlich von Venlo, das andere wichtige Kriegsziel der Alliierten, war bereits im frühen September 1944 angegriffen worden. Vor ihrem hastigen Abzug zerstörte die Wehrmacht die meisten Gebäude und Hangars, wie auch die Start- und Landebahnen. Am 1. März 1945 fiel auch dieser Stützpunkt, von dem aus deutsche Nachtjäger gegen englische Angreifer eingesetzt worden waren, in amerikanische Hände.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort