Stadt Kempen Unterwegssein ins Ungewisse
Stadt Kempen · Neun Künstlerinnen und Künstler zeigen im Städtischen Kramer-Museum ihre Werke zum Thema "Menschen auf der Suche". Dabei greifen sie ganz aktuell das Thema Flucht und Migration auf. Morgen wird die Ausstellung eröffnet.
"Wir sind ständig unterwegs", ob im Alltag, als Pendler, Urlauber - oder als Flüchtling. 2017 rief der Kulturraum Niederrhein das Thema "Unterwegs" aus, natürlich unter dem Eindruck der vielen Flüchtlinge, die 2015 nach Deutschland kamen. Die aktuelle Situation wurde dabei auch mit den Flüchtlingen und Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg verglichen. Als "Nachzügler", bedingt durch die unendliche Geschichte des Museumsumbaus im Kreuzgang des Franziskanerklosters, wird morgen in diesem Rahmen die Ausstellung "Menschen auf der Suche" eröffnet. Im Laufe der Vorbereitungszeit wurde dabei das Thema von "auf der Flucht" in "auf der Suche" ausgeweitet - was der Ausstellung gut tut.
Trotzdem ist das Thema Flucht ganz wichtig. Am plakativsten hat das Christel Tarras aus Düsseldorf in ihrer Installation umgesetzt. Zwei Schullandkarten von Mitteleuropa und dem Mittelmeerraum, Stachel- und Maschendraht und Barrieren werden mit Girlanden verbunden, die wie tibetische Gebetsfahnen mit Zeitungsfotos von Flüchtlingen wirken. An der Wand hängen nüchterne Statistiken, auf dem Fußboden Fußstapfen mit Bildern von Bootsflüchtlingen.
Im ersten Stock empfängt Jürgen Drevers dreiteilige Arbeit "Heimat" den Ausstellungsbesucher. Den Flüchtlingen, die aus völlig zerstörten Städten wie Aleppo flohen, widmet der Künstler aus Nettetal die erste Arbeit, ein Haus aus verklebtem Bauschutt. Das zweite Haus Neue Heimat I ist ein Modell der Wegekapelle in Willich, das dritte Haus, ein gleiches Haus aus verbranntem Holz, steht für die zahlreichen Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte.
Subtil sind die Werke der Krefelder Künstlerin Angela Schäfer. Ihr weit ausschreitender Mann mit dem Titel "A Way!" "macht sich dünne". Was man kaum sehen kann: Die Figur aus Stahldraht, Papier und Verbandmull wurde aus Kriegsberichten in einer englischsprachigen Tageszeitungen und Landkarten-Fragmenten gemacht. Während dieser Mann einen riesigen Schritt macht, steht ganz im Kontrast dazu die Figur "Rise" in meditativer Ruhe mit verklärtem Blick nach oben.
Edith Stefelmanns aus Kempen steuert eine Installation aus bemalten und bedruckten Fenstergläsern bei. In Namibia lernte sie einen Aftikaner kennen, der akzentfrei fließend Deutsch sprach. Wie sich herausstellte, gehört er zu den Waisenkindern der Swapo-Freiheitskämpfer, die nach dem Cassinga-Massaker der südafrikanischen Militärs in die DDR kamen. Auf Schloss Bellin in Mecklenburg lernten sie den Sozialismus und Kämpfen. Nach dem Mauerfall wurden sie nach Hause geschickt, in eine "Heimat", die sie nicht mehr kannten.
Selbst ein Flüchtling war Ivica Matijevic aus Bosnien-Herzegowina, der heute in Moers lebt. Seine wunderbar ästhetischen und handwerklich anspruchsvollen Werke sind abstrakt - und der Titel "Migration der Form" eher ein ironischer Bezug aufs Thema. Im zitierten Vers "Die Bilder, die wir in uns tragen, hauchen neues Leben ein der Heimat in uns selbst."
Auch Helga Stender hat die Flucht aus ihrer jugoslawischen Heimat erlebt. 1944 musste die Donauschwäbin als Kind nach Österreich fliehen. Immer wieder stellt sie Menschen dar, auf der Suche, auf ihrem langen Weg, in sich selbst versunken. Einen Menschenschwarm in Form von 81 Gesichtern zeigt Marianne Reiners-Maaz aus Süchteln. Verteilt auf sieben Rahmen, angeordnet in einer gedrehten Bewegung verbindet sie Ewigkeit, göttliche Schöpfung und die menschliche DNA mit der Suche nach dem Sinn des Lebens. Das Motiv der inneren Reise variiert Maria Ganser aus St. Tönis in ihren Bildern. Martin Lersch aus Goch hat mit "Flüchtigkeitsfehler - endartete Kunst" einen Flügelaltar an die ungestrichenen Wände des Kreuzgangs geheftet. Darin zitiert er in 14 Bildern Künstler, die ab 1933 vor den Nationalsozialisten geflohen sind.