Stadt Kempen Thomas Mann zu Gast in der Paterskirche

Stadt Kempen · Eine ganz neue Form der Literaturvermittlung erlebten rund 300 Besucher am Samstagabend in der Kempener Paterskirche. Auf Einladung des Museums- und Geschichtsvereins stellten Jochen Hieber, Journalist und Literaturkritiker, und Cordelia Borchardt, Lektorin des S. Fischer Verlags, Leben und Werk von Thomas Mann vor. Angesichts des großen Schaffens des 1875 in Lübeck geborenen und 1929 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten Schriftstellers konnte diese Würdigung naturgemäß nur aus Fragmenten bestehen.

Mann war nicht nur Schriftsteller, sondern stets auch kritischer Beobachter seiner Zeit. Und zum Glück seiner Biographen ein Freund der Medien. So gibt es eine Fülle von Tondokumenten und Notizen von Mann. Hinzu kommen zahlreiche Verfilmungen seiner Werke, allen voran der "Buddenbroocks". Nach heutigen Maßstäben war Mann einer der ersten Medienstars des 20. Jahrhunderts.

Dies machten sich Borchardt und Hieber für ihre multimediale Collage über Leben und Werk von Thomas Mann zunutze. Auf zwei Leinwänden waren Filmsequenzen, Wochenschauaufnahmen, Fotos oder Buchcover zu sehen. Für zwei Stunden wurde der Literat so präsent in der Paterskirche, dass man die berühmte Stecknadel hätte fallen hören können. Als "Ironiker mit Sinn für Weihevolles" hätte Thomas Mann bestimmt die Begegnung mit dem Mystiker Thomas von Kempen gefallen, meinte Jochen Hieber eingangs. Und richtig, in vielen der Tondokumente schwingt Manns Vorliebe für das Sakrale, Weihevolle durch. Da schwelgt er zu den Klängen von Wagners "Lohengrin" in Jugenderinnerungen: "Hier wird Romantik in Tönen gelebt." Dazu eine Portraitaufnahme im Hintergrund, in der der Autor seinen Zuschauer fast eindringlich anschaut.

Hieber und Borchardt hielten sich bewusst im Hintergrund. Sie fügten schon mal erklärende Details ein, ergänzten die Biographie, erläuterten den geschichtlichen Hintergrund. Im Vordergrund blieb aber stets Thomas Mann. Bis heute fasziniert seine pointierte, geschulte Stimme im Radio. Vor allem in seinen 25 Radiosendungen an die "Deutschen Hörer", die er in den Kriegsjahren nach Deutschland sendete. Mann, 1933 zunächst in die Schweiz, 1938 in die USA emigriert, leistete so aus der Ferne Widerstand. 1936 wurde er von den Nationalsozialisten ausgebürgert. Trotzdem kehrte Mann nach dem Krieg nach Europa zurück. Bis zu seinem Tod 1955 blieb er Mahner und strenger Beobachter. Die Collage, die Borchardt und Hieber zusammengestellt hatten, machte Lust darauf, ein Buch von Mann mal wieder zur Hand zu nehmen. Es müssen ja nicht gleich hunderte Seiten "Buddenbroocks" sein. Ein Bändchen wie "Tonio Kröger", Manns "Werther", wie Hieber meinte, bietet sich zum Entdecken an. "Das hätte noch eine Stunde so weiter gehen können", war denn auch ein Besucher am Ende ganz begeistert von diesem Abend.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort