Gemeinde Grefrath Theremin: "Mit den Händen singen"

Gemeinde Grefrath · Die sorbische Musikerin Carolina Eyck, eine der weltweit besten Interpreten auf dem elektronischen Theremin, begeisterte ihr Publikum im Grefrather Cyriakushaus. Der Heimatverein würdigte Malewitschs "Schwarzes Quadrat".

 Die mit einem Echo Klassik-Preis ausgezeichnete Musikerin Carolina Eyck zeigte in Grefrath, wie souverän sie das elektronische Instrument Theramin beherrscht. Berührungslos werden durch Bewegungen Magnetfelder verändert.

Die mit einem Echo Klassik-Preis ausgezeichnete Musikerin Carolina Eyck zeigte in Grefrath, wie souverän sie das elektronische Instrument Theramin beherrscht. Berührungslos werden durch Bewegungen Magnetfelder verändert.

Foto: Christian Hüller

Der Künstler Hubert Döring hatte ein glückliches Händchen. Als Vorstandsmitglied des Heimatvereins Grefrath will er ein Kulturprogramm aufbauen - und startete es gleich mit einem Knaller. Hinter dem Titel "Überlegungen zum Schwarzen Quadrat" verbirgt sich das "schwarze Quadrat", das der russische Künstler Kasimir Malewitsch 1915 - vor genau 100 Jahren - malte und in Petersburg ausstellte. Zu diesem Programm lud er eine besondere Musikerin ein: Carolina Eyck ist eine weltweit gefragte Virtuosin auf dem Theremin, einem elektronischen Instrument, das berührungsfrei gespielt wird und 1920, fünf Jahre nach dem schwarzen Quadtrat, erfunden wurde. Was Döring damals nicht ahnen konnte: Bei der Verleihung der Echo Klassik-Preise am 18. Oktober wurde auch Carolina Eyck bedacht: In der Kategorie "Konzerteinspielung des Jahres (Musik 20./21. Jahrhundert)" gewann Carolina Eyck mit dem Lappland Kammerorchester für das Theremin Concerto, das der finnische Komponist Kalevi Aho extra für sie geschrieben hat (erschienen beim schwedischen Label bis).

Auf der Bühne des Begegnungszentrums Cyriakushaus stand ein kleiner Holzkasten mit zwei Antennen. Theremin heißt dieses elektronische Musikinstrument, das der russische Physiker und Cellist Lew Termen 1920 entwickelte. Die beiden Antennen erzeugen elektromagnetische Felder, die durch die Hände des Spielers beeinflusst werden. Mit der rechten Hand wird die Tonhöhe erzeugt, mit links die Lautstärke geregelt. In den 60er Jahre baute Robert Moog in den USA Theremine, die er dann zu den ersten Synthesizern fortentwickelte. Der Theremin führt bis heute eher ein Nischendasein in Neuer Musik, Science Fiction-Filmen und experimenteller Pop-Musik.

Die 27-jährige Musikerin Carolina Eyck versuchte gleich von Beginn, das Instrument aus der experimenteller Ecke herauszuholen und es wie ein normales Instrument klingen zu lassen. Im Grunde genommen ermöglicht die Elektronik eine Musik, die nicht durch den Atem oder die Länge des Bogens begrenzt ist. Für den Komponisten tun sich ganz neue Möglichkeiten auf. In Grefrath fügte die Musikerin noch ihre Stimme hinzu, die sie über Loops vervielfachte.

Die Musikerin, die in der Nähe von Berlin aufwuchs, erhielt mit fünf Jahren ersten Klavierunterricht, mit sechs wechselte sie zur Violine. Später tauschte sie die Geige gegen die Bratsche ein, die sie später an der Königlichen Musikhochschule in Stockholm als Hauptfach studierte und in verschiedenen Orchestern spielt. Auf das Theremin machte sie ihr Vater, der elektronische Musik machte, als Kind aufmerksam. Beigebracht hat es ihr anfangs Lidia Kawina, die Großnichte Teremins. Noch wichtiger aber war, dass ihr Vater sie am Klavier begleitete. Fünf Jahre brauchte sie dafür. Mit 13, 14 begann sie, sich ganz effektiv mit diesem Instrument auseinanderzusetzen und auch damit aufzutreten. Die Spieltechnik hat sie sich weitgehend selbst entwickelt und in zwei Schulen bereits auch publiziert. Es geht vor allem um die acht Fingerpositionen, um eine Oktave zu spielen. Wer talentiert sei, könne damit das Spielen in einer Stunde lernen. Zur Zeit entwickelt Eyck mit dem französischen Ingenieur Thierry Frenkel ein optimiertes Theremin.

Als sie 2010 mit dem National Symphony Orchestra in Washington spielte, sprach sie der Kontrafagotist des Orchesters, der auch zu Hause ein Theremin stehen hatte, an und wies sie auf den finnischen Komponisten Kalevi Aho hin. Sie nahm Kontakt zu ihm auf und er schrieb für sie eine Komposition für Theremin und Orchester, deren Einspielung jetzt einen der Echo Klassik-Preise errang. Im Oktober erschien zusammen mit dem Pianisten Christopher Tarnow beim Leipziger Klassiklabel Genuin eine neue CD mit Kammermusik für Theremin und Klavier. Carolina Eyck hat viel vor. Sie will beweisen, dass das Theremin ein gleichrangiges Musikinstrument ist und nicht "tot klingt". Wie sie darauf "mit den Händen singt", zeigt sich auf kurzen Videos, die sie regelmäßig bei Youtube hochlädt.

Am Ende gab es viel Applaus für beide: für Carolina Eyck und ihr verblüffendes Spiel, und für Hubert Döring, der für eine "Ikone der Moderne" Interesse wecken konnte. Döring erinnerte auch an Einsteins Relativitätstheorie, die ebenfalls vor 100 Jahren erdacht wurde. Damals konnte man sich nicht vorstellen, wie sich Akustikwellen fortbewegten. Im 17. Jahrhundert war der Begriff Äther, eine Art Füllmaterial für die Wellen, aufgekommen. So wie Malewitsch mit dem schwarzen Quadrat der Natur ein "Nichts" entgegensetzte, so entsteht beim Theremin quasi Musik aus dem Nichts.

(RP)
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