Kempener Therapeut Hubert Geurts gibt Tipps gegen Lagerkoller Corona: Eine Krise ohne Rezeptkarten

Kempen · Der Kempener Therapeut Hubert Geurts über die familiären Herausforderungen in diesen Wochen.

 Die momentane Situation ist für viele Familien eine Herausforderung, die oft im Stress endet.

Die momentane Situation ist für viele Familien eine Herausforderung, die oft im Stress endet.

Foto: DPA / Patrick Pleul

Auch der Kempener Paartherapeut Hubert Geurts ist beruflich von der Corona-Krise betroffen. Momentan sitzt er vorwiegend allein in seiner Praxis an der Engerstraße und berät seine Klienten telefonisch. So fand auch das Gespräch mit unserer Redaktion, die ihn um ein paar Ratschläge im Umgang mit der aktuellen Situation bat, telefonisch statt.

Was ist besonders an dieser Lage?

Das große Problem momentan sei, dass die Menschen sich an eine neue Lage gewöhnen müssten, an der sie nichts ändern können. So etwas habe es niemals zuvor gegeben, man habe die Entwicklung unterschätzt: „So etwas hätte man sich vor Wochen nicht vorstellen können“, sagt Geurts. Zur Bewältigung der momentanen Situation liegen keinerlei Erfahrungen vor: „Es gibt keine Rezeptkarten.“
Wie geht man damit um?

Es ist keine Schule, die Kinder sind rund um die Uhr zu Hause. Keiner weiß, wie lange dieser Zustand noch anhält. „Es ist keine begrenzte Zeit und damit auch nicht mit Ferien vergleichbar“, sagt Geurts. Die Familie sei auf sich zurückgeworfen, damit muss sich jeder auseinandersetzen. Das bietet die Chance, den Umgang miteinander zu pflegen, was im normalen Alltag oft vernachlässigt wird, weil jeder seine eigenen Interessen und Verpflichtungen hat.
Wie gehen wir mit Kindern um?

Die Kinder und damit auch die Eltern haben eine besonders schwere Zeit. Sie können sich keine Freunde einladen und umgekehrt auch keine besuchen. Sie können zwar nach draußen, aber auch für sie gilt die Regelung, dass sie höchstens zu zweit spielen dürfen. Das ist nicht besonders erquicklich. Längst nicht alle Familien haben ein Haus oder eine große Wohnung, ein Garten ist auch nicht überall vorhanden. Also Dauerberieselung im Fernsehen? „Die elektronische Oma kann ruhig ab und zu zum Einsatz kommen, aber nicht übertrieben“, empfiehlt der Therapeut.
Wie kann man alle Bedürfnisse befriedigen?

Die plötzliche Nähe ist ungewohnt und kann zum Lagerkoller führen. Geurts schlägt vor, dass jedes Familienmitglied auf einen oder mehrere Notizzettel schreibt, was er gern machen möchte. Anschließend kommen alle Zettel auf den Tisch. Jeder hat dann drei Kreuzchen, die er nach Belieben verteilen kann, auf einen oder mehrere Zettel. „So werden alle Bedürfnisse berücksichtigt.“ Eine andere Möglichkeit ist ein Rollentausch. Kinder können für eine bestimmte Zeit, etwa fünf Minuten, bestimmen, was ihre Eltern machen sollen. Wobei natürlich im Vorfeld abgesprochen werden muss, wie weit der Rahmen gesteckt ist. „Das ist ein Spiel, aber durchaus mit einem ernsten Hintergrund“, sagt Geurts. Oft nämlich stellt sich heraus, dass die Wünsche an die Eltern keineswegs abstrus, sondern oft oder meist sehr vernünftig sind.
Irgendwann gibt es keinen Gesprächsbedarf mehr.

Man kann zu Gesellschaftsspielen greifen, vorwiegend zu klassischen, bei denen jeder mitspielen kann. Vorlesen ist auch eine gute Idee, dabei kann man sich abwechseln.
Hilft ein Tagesplan?

„Ja, ein Tagesplan ist auf jeden Fall wichtig als Mittel gegen Orientierungslosigkeit“, sagt der Therapeut.
Was hilft bei Problemfamilien?

Familien, die Probleme mit der Erziehung ihrer Kinder haben, machen momentan besonders schwere Zeiten durch. Geurts befürchtet, dass in solchen Fällen der Fernseher der einzige Tagesplan ist. Er hat aber eine andere Idee: Lachyoga, das eigentlich nichts mit Yoga zu tun hat. Alle müssen eine Minute lachen, einfach so und ohne besonderen Anlass. Die Idee hatte ein englischer Arzt, der sich fragte, ob Lachen hilft, gesünder zu werden. Er versammelte eine Runde um sich, und man erzählte sich regelmäßig Witze. Bei den Männern wurden sie mehr und mehr obszön, was die Frauen nicht besonders lustig fanden. Also wurde einfach nur noch gelacht. Ohne Anlass: Das Gehirn macht da keinen Unterschied und stößt Glückshormone auf. „Viele kommen sich da erst einmal lächerlich vor, aber es hilft“, sagt Hubert Geurts.

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