Kempen "Talent allein reicht nicht"

Kempen · Entertainer Jörg Knör (52) gastiert am Freitagabend in Kaarst. Nachmittags macht er einen Workshop mit Schülern des Lise-Meitner-Gymnasiums in Anrath. Im Interview spricht er über Talent, Fernsehpräsenz und seine Lieblings-Parodien.

 Vorhang auf für Jörg Knör: Der Entertainer besucht heute vor einem Auftritt ins Kaarst das Lise-Meitner-Gymnasium in Anrath. Er will jungen Menschen das Kabarett und die Kleinkunst näher bringen.

Vorhang auf für Jörg Knör: Der Entertainer besucht heute vor einem Auftritt ins Kaarst das Lise-Meitner-Gymnasium in Anrath. Er will jungen Menschen das Kabarett und die Kleinkunst näher bringen.

Foto: privat

Haben Sie Ihre Entertainer-Qualitäten schon zu Schulzeiten entdeckt?

Jörg Knör Ja. Ich habe schon damals entdeckt, dass da ein gewisser Spieltrieb vorhanden ist. Aber damals hätte ich nicht daran gedacht, dass sich damit Geld verdienen lässt.

Stimmt die Geschichte, dass Sie wegen des Halls gerne auf der Schultoilette Parodien geübt haben und der Hausmeister Sie eines Tages genervt eingeschlossen hat?

Knör Ja. Solche Geschichten über mich gibt es.

Haben Ihre schulischen Leistungen unter Ihrem Talent als Unterhalter gelitten?

Knör Ja, natürlich. Als Genugtuung sage ich mir aber: Für den gleichen Kram, für den ich damals Einträge im Klassenbuch bekam, bekomme ich heute Einträge im Sparbuch. Und Klassentreffen haben mir bewiesen, dass frühere Einser-Kandidaten nicht die großen Retter der Menschheit geworden sind, sondern zum Teil ganz langweilige Leben führen. Das zeigt, dass Schulnoten in keiner Weise eine Zukunftsprognose zulassen. Das würde ich meinen Kindern aber so brutal nicht sagen, sonst geben sie sich keine Mühe mehr. Und ich bin ja selber Arbeitgeber gewesen und habe Leute eingestellt. Ich habe so viele Premium-Zeugnisse gesehen und die Leute fand ich grottenschlecht. Man sollte vor allem an seine Persönlichkeit glauben. Das ist das wichtigste Kapital.

Am Freitag werden Sie am Lise-Meitner-Gymnasium in Anrath mit Schülern arbeiten. Wissen Sie schon, was dort genau passieren wird?

Knör Ehrlich gesagt nicht. Ich denke aber, dass ich den Schülern eine ganze Menge erzählen kann. Wie man kreativ ist zum Beispiel. Oder das Talent allein nicht ausreicht, um erfolgreich zu sein. Man braucht auch ganz viel Fleiß.

Sie sind vor allem mit Parodien bekannt geworden. Kann man das jungen Leuten beibringen?

Knör Nein, das kann man nicht. Jemandem, der singen kann, dem kann man beibringen, wie man ein bisschen besser singt. Aber das Singen grundsätzlich kann man niemandem beibringen. Wenn man die Töne nicht trifft, nutzt es auch nichts, wenn man sich hundertmal einen Gesangslehrer nimmt. Das ist einfach ein Talent.

Was würden Sie jungen Leuten raten, die ein Talent in sich haben?

Knör Aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen, dass man sich als junger Mensch einfach den Größenwahnsinn bewahren sollte. Man soll daran glauben, dass man etwas hinkriegt, sonst kriegt man es gar nicht hin. Man muss ein Weltstar werden wollen, um ein lokaler Held zu sein. Man muss einfach an sich glauben. Und wichtig dabei ist: Machen, machen, machen. Es ist nicht schlimm, wenn man etwas nicht erreicht. Schlimm ist nur, wenn man es nicht wenigstens mal versucht hat. Das bereut man sein Leben lang. Man muss auf seinen Bauch hören. Und wenn man an irgendetwas glaubt, wenn man für irgendetwas Leidenschaft hat, dann hat man auch die Kraft, Rückschläge und Niederlagen zu verkraften.

Der Verein der Freunde und Förderer des Kaarster Kabarett- und Kleinkunstprogramms will jungen Leuten diese Kunstform näherbringen und geht deshalb mit den Künstlern an die Schulen. So wie mit Ihnen am Freitag nach Anrath. Was halten Sie von diesem Ansatz?

Knör Das finde ich klasse. Das sollte man mit viel mehr Berufen machen. Die Krux ist doch, dass viele Menschen sich den Lehrerberuf aussuchen, weil das der einzige Beruf ist, den sie tatsächlich vor Augen hatten und den sie meinen, beurteilen zu können. Und dann haben sie aber eine völlig falsche Vorstellung von dem Beruf. Die Entscheidung, was man beruflich machen möchte, soll sich doch an etwas aufhängen. Aber woran kann sie sich aufhängen, wenn man die Berufe nicht kennt, sondern nur den schönen Schein sieht? Man sieht die Fernsehköche und denkt sich: Das ist auch ein geiler Job. Die rühren ein bisschen rum, trinken zwischendurch guten Champagner und haben alle Top-Restaurants. Was das aber für ein harter Job ist, das sehen viele überhaupt nicht.

Beobachten Sie denn in Ihrem Programm, dass jüngere Menschen im Publikum fehlen?

Knör Na klar. Bei mir hat das aber auch den Hintergrund, dass ich im Fernsehen nicht vorkomme. Ich glaube, vom Inhalt her binde ich die ganze Familie. In den Sommermonaten, wenn ganze Familien in das Programm kommen, bekomme ich hinterher viele E-Mails aus der jüngeren Altersgruppe, die alle total fasziniert waren. Dass nicht mehr jüngere Leute kommen, liegt also nicht am Inhalt. Es liegt daran, dass ich kein Schaufenster habe. Das Fernsehen ist das einzige Schaufenster, das es gibt. Und da gibt es vielleicht sechs oder sieben Comedians, die wir ständig sehen und hundert, die wir nie sehen. Und ich gehöre zu den hundert. Ich kann das nicht ändern. Es wird aber bestimmt für mich noch eine Renaissance geben, so wie sie es für Otto auch gegeben hat. Dann muss man aber inhaltlich das bieten, dass die Leute nicht sagen: Das sind doch alte Kamellen.

Wie sieht Ihr Programm konkret aus?

Knör Mein Programm ist superaktuell. Alles was ich mache, orientiert sich an dem, was Menschen gerade bewegt. Es geht zum Beispiel um Facebook. Oder ich parodiere Mario Barth. Ich mache zweieinhalb Stunden Show. Es ist eine ganz gute Mischung. Ich zeichne viel mehr als früher. Es ist sehr viel Musik dabei, was viele Leute überrascht. Und es gibt viele persönliche Sachen. Ich bin 52 Jahre alt, da hat man ganz schön viel zu erzählen. Und natürlich ist die Parodie der rote Faden, aber ich verstecke mich nicht dahinter. Man erfährt auch eine Menge über mich und mein Leben.

Welche Kriterien muss eine Person erfüllen, dass sie für eine Parodie taugt?

Knör Die Stimme muss im Original schon 90 Prozent der Menschen bekannt sein. Fast alle Fußballer scheiden damit aus. Das würde man im Radio nicht erkennen. Wie spricht Herr Lahm? Das weiß man nicht. Einen Ballack macht auch niemand nach. Die Fußballer sind in ihrer Optik präsent. Aber wenn die nur ein Telefonbuch vorlesen, würde man nicht wissen, wer das ist. Bei Helge Schneider weiß man das. Außerdem muss ich eine Person, die ich parodiere, auch mögen. Und aktuell muss sie sein.

Wenn Sie jemanden parodieren, sollte derjenige das also durchaus als Kompliment verstehen?

Knör Er ist dann zumindest als Person interessant. Ich mache zum Beispiel keinen Beckenbauer, auch keinen Grönemeyer. Die macht mein Tankwart auch. Es muss mich auch reizen, den Prominenten, die ich parodiere, eine Geschichte zuzuschreiben, die interessant ist. Bei Beckenbauer reizt es mich nicht, ihm Text zu geben. Ich muss mich aber ohnehin beschränken, weil ich von den 60 Leuten in meinem Repertoire vielleicht nur ein Drittel machen kann.

Haben Sie eigentlich Lieblingscharaktere?

Knör Das wechselt. Aber im Moment würde ich schon sagen, dass Helmut Schmidt eine Paradenummer geworden ist. Das Publikum bestimmt so etwas.

Wie trainieren Sie Ihre Parodien? Schließlich hören Sie Ihre Stimme doch anders als andere Menschen sie hören?

Knör Das ist das Talent. Ich bin niemand, der Tonbänder abhört. Wenn ich eine neue Stimme draufhaben will, radel ich eine halbe Stunde durch den Stadtwald. Und wenn ich die Person dann nicht drauf habe, dann habe ich sie auch nicht nach drei Tagen oder zwei Monaten drauf. Wenn ich vor mich hin spreche, kommt irgendwann der Moment, wo ich mir die Person selber abnehme. Das ist wie bei einem Koch, der immer wieder probiert, bis er sagt: Jetzt stimmt's.

Andreas Cüppers führte das Gespräch.

(RP/rl)
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