Kempen Gelebte Integration beim Boulespiel

Kempen · Seit fünf Jahren gehört Hasan Alkasem zum Team der Flachlandbouler Kempen. Der Syrer belegt in diesem Jahr erstmalig Platz eins der vereinsinternen Rangliste. Über den Sport wurde aus einem Fremden ein Freund.

 Hasan Alkasem weiß mit der kleinen Kugel inzwischen bestens umzugehen.

Hasan Alkasem weiß mit der kleinen Kugel inzwischen bestens umzugehen.

Foto: Norbert Prümen

Die Konzentration ist förmlich spürbar, als Hasan Alkasem mit der Boulekugel in der Hand in den Abwurfkreis tritt. Mit zusammengekniffenen Augen mustert er das blaue Schweinchen, das, umringt von mehreren Kugeln, in rund acht Meter Entfernung vor ihm liegt. Ein leichtes Wippen in den Knien, ein Schwingen des rechten Arms, ein abschätzender letzter Blick, und der Syrer lässt die Metallkugel durch die Luft sausen. Ein leises Klock ist zu hören, als sie die Kugel berührt, die sich in unmittelbarer Nähe der kleinen blauen Variante befindet. Sekunden später liegt die von Alkasem gespielte Kugel direkt neben dem Schweinchen.

„Es wird schwer, gegen den Meister zu spielen“, sagt Boulespieler Bernd mit einem Lächeln, bevor er selbst in den Abwurfkreis tritt. Hasan sei nicht mehr einzuholen, schließt sich Harald Ohlmeier an. Schließlich liegt der Syrer mit fünf Siegen Vorsprung an der Spitze der vereinsinternen Rangliste und ist daher beim letzten Freilandspiel der Saison 2019 der Flachlandbouler Kempen nicht mehr einzuholen. Denn an einem Spielabend kann ein Spieler maximal zwei Siege holen, und daher kann sich die Rangliste in dieser Saison nicht mehr ändern. „Boule ist ein schöner Sport. Er macht mir einfach Spaß. Man lernt nette Leute kennen, und wenn man abends an der frischen Luft zusammen spielt, sind Stress und Sorgen vergessen“, sagt Alkasem.

Boule bedeutet für ihn aber noch mehr. Für den Syrer ist es ein Stück Integration. Über den Sport haben er und seine Familie eine herzliche Aufnahme erfahren und neue Freunde gewonnen. Dass er einmal mit Begeisterung und zudem noch Erfolg Boule spielen würde, dass hätte der aus Syrien geflüchtete Mann, der im Februar 2014 Deutschland erreichte, damals nicht gedacht. Die Sprache fehlte, und als er nach einem Monat in eine Sammelunterkunft nach Kempen kam, gab es zudem Schwierigkeiten in dem Haus, in dem er mit seiner Frau und den beiden Töchtern wohnte.

In dieser Situation machte er die Bekanntschaft mit Armin Hoffmann. Wenn der Kempener nicht gewesen wäre, dann stünde Alkasem heute nicht einmal in der Woche auf dem Bouleplatz im Kempener Sportpark. „Meine Frau und ich wohnen in der Nähe, wo Hasan seinerzeit untergebracht war und lernten ihn und seine Familie kennen. Wir haben getan, was jeder getan hätte, und ihn unterstützt“, erinnert sich Hoffmann. Es wurde eine andere Wohnung, und zwischen den Familien entwickelte sich trotz der anfänglichen Sprachprobleme eine Freundschaft. „Ich habe Hasan dann mit zum Boule genommen“, erzählt Hoffmann, der selbst seit mehr als 20 Jahren Boule spielt. Für Alkasem, der in seiner früheren Heimat neben seinem Beruf als Buchhändler eher dem Schwimmen zugetan war, tat sich eine neue Sportwelt auf, wobei alle Spieler ihn herzlich aufnahmen.

Die Boule-Begeisterung packte ihn. Er besuchte die wöchentlichen Spieltage auf der Kempener Anlage, spielte mit Freude und fand neue Freunde. Die Sprachkenntnisse vergrößerten sich. Alkasem fand nach mehreren erfolgreich abgeschlossenen Lehrgängen einen Arbeitsplatz als Greenkeeper auf der Golfanlage Haus Bey in Nettetal und legte mit Erfolg die deutsche Führerscheinprüfung ab. Zeit für Boule blieb dabei immer. „Hasan ist einer unserer eifrigsten und erfolgreichsten Spieler“, lobt Ohlmeier.

Beim Freundschaftsturnier in Kempens Partnerstadt Wambrechies hatte Alkasem ebenfalls die Nase vorn. Zwölf deutsch-französische Teams traten in der Disziplin „Doublette formée“ in vier Runden gegeneinander an, um abschließend in zwei Finalrunden das Siegerteam zu ermitteln. Das deutsch-französische Team mit Alkasem trug dabei den Sieg davon.

Inzwischen neigt sich der letzte Spielabend der Außensaison der Flachlandbouler Kempen dem Ende zu. Unter dem Flutlicht rollen die letzten Kugeln. Dann steht es fest: Mit 27 Siegen und damit 93 Punkten ist der gebürtige Syrer Sieger der Spielsaison 2019. Von allen Seiten gibt es Gratulationen.

Auf den dazugehörigen Pokal muss Alkasem allerdings noch ein bisschen warten, denn gibt es erst bei der Mitgliederversammlung im Januar 2020.

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