Kempen Stolpersteine gegen das Vergessen

Kempen · An der Ellenstraße wurden am Montag vor zwei Häusern Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an die unermessslichen Leiden, die Juden in der NS-Zeit auch in Kempen erleiden mussten.

 Die auf den neuen Stolperstein  auf der Ellenstraße gelegte weiße Rose sagt mehr als viele Worte.

Die auf den neuen Stolperstein  auf der Ellenstraße gelegte weiße Rose sagt mehr als viele Worte.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Das Schicksal der Schwestern Emma, Magdalene, Johanna und Karoline Ajakobi dürfe uns auch heute nicht gleichgültig sein. „Sie müssen uns in Erinnerung bleiben, damit sich Verbrechen wie diese niemals wiederholen.“ Katharina und Jasmin hatten gerade aus dem Leben von Johanna Ajakobi berichtet. Mit ihren Schwestern erlebte sie wohl eine unbeschwerte Kindheit in Geilenkirchen. Ihr Vater betrieb eine Metzgerei. Es gab eine große jüdische Gemeinde.

Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, änderte sich das Leben der mittlerweile älteren Damen schlagartig. Als in der Reichspogromnacht Synagogen brannten und Geschäfte jüdischer Besitzer geplündert wurden, verloren auch sie ihr Zuhause. Das Haus ihrer Schwester Emma in Kempen war unberührt geblieben, und so fanden sie dort Unterschlupf. Das Haus an der früheren Josefstraße steht heute nicht mehr. Dort verläuft die Heilig-Geist-Straße. In Kempen mussten die Schwestern Demütigungen und Zwangsmaßnahmen ertragen und wurden schließlich deportiert. Sie waren zwischen 69 und 80 Jahre alt, als sie in Treblinka und Theresienstadt starben.

Schüler des Berufskollegs und der Martin-Schule trugen die Biografien der Schwestern Ajakobi im Rahmen der Stolperstein-Verlegung am Montag in einer feierlichen Zeremonie vor, die von Cellistin Julia Polziehn musikalisch begleitet wurde.

Insgesamt elf Steine verlegte der Künstler Gunter Demnig, die an Opfer des Nationalsozialismus erinnern sollen. Nicht nur an die, die ermordet wurden, erläuterte Ute Gremmel-Geuchen, Sprecherin der Initiative Projekt Stolpersteine, sondern auch an andere, die unter den Nazis gelitten hatten.

So wie Isidor, Erna und Julie Rath. Schüler des Luise-von-Duesberg-Gymnasiums erinnerten an den Viehhändler Isidor Rath, der mit seiner Frau Julie im ersten Stock des heutigen „Treppchen“ an der Ellenstraße wohnte und durch die Nürnberger Rassengesetze ein Mensch zweiter Klasse wurde. Er starb 1936, seine Ehefrau 1938. Ihre Tochter Erna war in Kempen als Sängerin und bei Kaffeekränzchen gern gesehen. Doch die Machtergreifung der Nazis änderte alles. Sie trat zum katholischen Glauben über, schloss eine Scheinehe, emigrierte in die Niederlande. Sie verlor ihre Heimat, musste ihre Kultur verleugnen, wurde ihrer Herkunft beraubt, berichteten die Schüler.

Vom Schicksal der Familie Winter erzählten Schüler von Gesamtschule und Thomaeum. Vieh- und Textilwarenhändler Simon Winter, seine Kinder Henriette und Salomon sowie Enkelin Elsa mussten ebenfalls unter den Taten der Nationalsozialisten leiden und aus ihrer Heimat fliehen, wo sie zuvor sehr angesehen waren. Simon Winter lebte bis zu seinem Tod in den Niederlanden, Henriette und Salomon Winter in Großbritannien. Elsa Winter floh als Kind nach Großbritannien und ging später nach Israel, wo sie 2003 bei einem palästinensischen Attentat in Jerusalem getötet wurde.

Sichtlicht bewegt verfolgte die 96-jährige Enkelin Mirjam Honig, geborene Winter, die Zeremonie. Sie war für die Verlegung der Stolpersteine für ihre Angehörigen aus Eindhoven nach Kempen gekommen. Sie sei sehr dankbar, dass sie dies habe noch erleben dürfen, sagte sie im Anschluss. Auch der ehemalige Bürgermeister Karl-Heinz Hermans wohnte der Zeremonie als Zuschauer bei. Als Kind erlebte er die Zeit des Nationalsozialismus und erinnert sich daran, welche Demütigungen die Nachbarn damals erleiden mussten.

Bürgermeister Volker Rübo dankte der Initiative und den Schülern für ihr Engagement für die Stolpersteinverlegung. Aus der Geschichte könnten wir lernen, dass man für eine offene Gesellschaft einstehen müsse. Rübo zeigte sich überzeugt, dass die jungen Menschen Botschafter für eine offene Gesellschaft sein werden. Diese Zeremonie werde nachwirken. Das würden die Schüler nicht so schnell vergessen.

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