Stadt Kempen Spukhaus wird abgerissen

Stadt Kempen · Die Geschichte um die "schworte Marie" war nur eine Gruselgeschichte, die sich um das Herrenhaus des Dellmannshofs rankten. Nun wird es abgerissen. Die Absenkung des Grundwassers ließ es baufällig werden.

Kalbsgroße Ungeheuer mit Hundekopf, "schworte Marie", die Menschen ertränkt: Schauergeschichten erzählt man sich vom Dellmannshof. Bald wird das Herrenhaus am St. Huberter Bruch selbst nur noch in diesen Gruselgeschichten vorkommen. Der Abriss ist im Gange.

Wer das Bruch mit seinen feuchten Niederungen kennt, kann sich leicht vorstellen, wie die Fantasie in früheren Zeiten bei Nebel mit dem Wanderer spielte. So soll ein großer Holzklotz auf der Straße auftauchen, der sich zu einem kalbsgroßen Ungeheuer mit Hundekopf verwandelt, das dem nächtlichen Wanderer den Weg versperrt oder schweigend hinter ihm hertrottet.

Fuhrwerke bleiben plötzlich auf der Straße stehen. Die Pferde schwitzen vor Angst und können nicht zum Weitergehen überredet werden. Erst ein Kreuzzeichen des Fuhrmanns löst den Zauber auf.

Zur Zeit Friedrichs des Großen soll auf dem Hof eine adlige Dame gelebt haben, deren Lebenswandel viel Gerede auslöste: In mondhellen Nächten wandelt die schwarz verschleierte Dame mit einem Körbchen am Arm entlang dem großen Fischteich des Hofes, der inzwischen dem Bau der Autobahn geopfert worden ist. Nähert sich der "schworten Marie" ein Mensch, dann packt sie ihn mit Riesenkräften, zerrt ihn ins Wasser und ertränkt ihn.

1387 wird der Hof in alten Steuerlisten erstmals erwähnt, wie der Tönisberger Heimatforscher Hans Krudewig herausgefunden hat. Als Besitzerin der "Ridderhofstede" wird die Witwe des Daelman genannt, von dem der Hof seinen Namen hat. In jüngerer Zeit wechselten die Eigentümer in immer schnellerer Folge. 1928 wurde Josef Rögels Pächter des Dellmannshofes.

Mit neun Kindern zog er in das 1899 repräsentativ erweiterte Haus, das zu dieser Zeit dem jüdischen Krefelder Kaufmann Meiers gehörte, der nach der Machtübernahme der Nazis den Hof aufgab.

1934 erhielt Johann Waeteraere das Anwesen von der Ammerländischen Zucht- und Nutzviehgenossenschaft als Ausgleich für seinen Hof im Oldenburgischen, der für andere Zwecke gebraucht wurde. Der Besitzwechsel zwang Pächter Rögels zum kurzfristigen Auszug. 1975 war Johanns Sohn Hubert Waeteraere gezwungen, aus dem Dellmannshof in einen Neubau zu ziehen, den er auf dem Hofgelände errichtet hatte.

Dass das Herrenhaus nun abgerissen wird, ist keinem Spuk geschuldet. Vielmehr ist es endgültig zum Opfer des Bergbaus geworden. "Der Landwehrbach war begradigt und tiefer gelegt worden, als der Bergbau das Bruch trockenlegte", erzählt Waeteraere, "dadurch sank der Grundwasserspiegel ab. Die Holzpfähle, auf denen der Dellmannshof errichtet worden war, wurden morsch und bald war das ganze Gebäude baufällig."

Nun trägt Waeteraere den alten Hof vorsichtig ab. Die alten Ziegel und Kacheln sind Unikate und für Restaurierungen alter Bauwerke interessant. Waeteraere hofft so, den Abriss finanzieren zu können. Im Hof soll sich irgendwo das zugemauerte Wohnzimmer der "schworten Marie" befinden. Vielleicht kommt dieses bei dem Abriss zum Vorschein.

Der Tönisberger Heimatforscher Hans Krudewig bedauert den Abriss des Dellmannshofes: "Wieder geht uns ein Stück niederrheinischer Identität verloren."

(RP)
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