“Der Heiler von St. Hubert“ Komödie hält St. Hubertern den Spiegel vor

St. Hubert · St. Hubert als Kurort? Die Zuschauer im ausverkauften Forum wurden aufs Beste unter­halten vom Theaterstück mit viel Lokalkolorit. Am Ende blieb kaum ein Auge trocken. Für die Kendel-Bühne ist das Comeback gelungen.

Dr. Johann Bacchus (gespielt von Johannes Dicks) glaubt nicht an die Schulmedizin. Er vertraut bei der Behandlung eher auf Alkohol.

Dr. Johann Bacchus (gespielt von Johannes Dicks) glaubt nicht an die Schulmedizin. Er vertraut bei der Behandlung eher auf Alkohol.

Foto: Norbert Prümen

Nach über 1000 Tagen Corona-be­dingter Abstinenz war es am Sams­tagabend endlich wieder soweit: die Amateurschauspieler der seit nun­mehr gut 20 Jahren bestehenden Kendel-Bühne gaben unter der Regie von Karin Schenk die Premiere ihres neuen Theaterstückes „Der Heiler von St. Hubert“. Die rund 300 Zu­schauer im ausverkauften Forum wurden drei Stunden lang bestens unterhalten durch eine Geschichte, die reichlich Humor und Situations­komik gewürzt mit einer ordentli­chen Prise Lokalkolorit bot. Am Ende blieb kaum ein Auge trocken.

Beim Stück handelt es sich um eine von Bernd Kietzke geschriebene Ko­mödie, die die Kendel-Bühne krea­tiv adaptiert und in den letzten fünf Mo­naten einstudiert hat. Dafür ste­hen dem Ensemble mittlerweile ei­gene Räumlichkeiten in der ehemali­gen Förderschule zur Verfügung. Den Mittelpunkt der Geschichte so­wie das in Kooperation mit zahlrei­chen lokalen Partnern entstandene Büh­nenbild bildet die Landarztpra­xis von Dr. Johann Bacchus (gespielt von Johannes Dicks). Der Medicus, der sich seiner Umwelt fast aus­schließlich auf Hüppersch Plott mit­teilt, steht mit der traditionellen Schulmedizin auf Kriegsfuß und vertraut bei der Behandlung der Pati­enten lieber der wohltuenden Wir­kung von Alkohol („Erste Hilfe vom Reb­stock“).

Heimliche Chefin seiner Praxis ist die Sprechstunden­hilfe Lore Ley (Claudia Stickelb­rock), de­ren oft wiederholter Lieb­lingsspruch lautet: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“. Die undiszi­plinierte Putz­frau Ambrosia Teufel (Irmgard Lem­ke) vervollständigt das Chaos, das bald hohe Wellen schlägt: Hans Werthmann, ein Kon­trolleur der Ärztekammer (Man­fred Schenk), schlägt die Zelte in St. Hubert auf, um nach dem Rechten zu sehen; die Patientin Frau Öfter (Karin Balters), der Bacchus bislang nicht recht wei­terhelfen konnte, geht ihm gehörig auf die Nerven; und die  selbstherrli­che Bürgermeis­terin Min­na Moritz (Sabine Dicks) hat Visio­nen und träumt davon, St. Hubert zum Win­zer- und Kurort zu machen. Als wei­tere Protagonisten treten der Sohn der Bürgermeisterin Max Mo­ritz (Jörg Terhoeven) und die von ei­nem bis kurz vor Schluss unbekann­ten Dritten engagierte Privatdetekti­vin Lisa Groß (Licia Stickelbrock) in Er­scheinung.

Die Macht des Weines und der Liebe sorgte für so manche überraschende Wendung und hielt bis zuletzt die Spannung hoch. Alle Figuren waren mit großer Hingabe gespielt und die Charaktere schön getroffen. Eine be­sondere Erwähnung verdienen Jenni­fer Tölkes, die die Bauerntochter Chantal Bollermann spielte, sowie Günter Vida, der den gescheiterten Schaupieler Eberhard Kühlmann verkörperte: Beide waren zum ersten Mal dabei und  meisterten ihre Rol­len hervorragend – zumal sie dabei zum Teil geschlechterübergreifende Wandlungen durchmachten.

Auf die Kos­ten von Männern und Frauen und ihres oft komplizierten Mit- oder auch Gegeneinanders gin­gen viele der zuweilen durchaus der­ben Witze. Auch Wortspiele und Situationsko­mik waren für viele La­cher verant­wortlich. Viel Heiterkeit entstand aber auch durch die Verortung der Geschichte in St. Hu­bert. Die loka­len Bezüge äußerten sich in necki­schen Spitzen gegen die ungeliebten St. Huberter Nachbaror­te, in der Er­wähnung von so man­chem im Ort bekannten Namen oder  durch die frappierende Ähnlichkeit von Doktor Bacchus mit einem tat­sächlichen, allseits beliebten ehema­ligen St. Hu­berter Arzt. Nicht zuletzt wurde dem Publikum durch die Ge­schichte au­genzwinkernd der Spie­gel vorgehal­ten. Die St. Huberter  lachten bei der Vorstel­lung, das Ken­deldorf wür­de zum Kurort ernannt, über sich selber – und was könnte heilsamer und zu­gleich sympathi­scher sein?

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