Serie: 725 Jahre Stadtrechte für Kempen (6) Die Kempener Burg wuchs in Etappen

Kempen · Sie ist das Wahrzeichen der Stadt Kempen: die mächtige Landesburg. Aber es ist bereits die zweite Burg, die an dieser Stelle steht. Ihre Vorgängerin wurde als Machtsymbol im Kampf um die Herrschaft über das Kempener Land errichtet. Als die Regierung durch die Kölner Erzbischöfe gesichert war, wurde sie zu der heute noch stehenden Burg erweitert.

 Die Kempener Burg um 1700 zeigt das Stadtmodell im Kramer-Museum. Gut zu erkennen sind die 1634 aufgesetzten barocken Turmdächer und der Verbindungstrakt zwischen Nord- und Ostturm, der um 1810 abgerissen wurde.

Die Kempener Burg um 1700 zeigt das Stadtmodell im Kramer-Museum. Gut zu erkennen sind die 1634 aufgesetzten barocken Turmdächer und der Verbindungstrakt zwischen Nord- und Ostturm, der um 1810 abgerissen wurde.

Foto: Norbert Prümen

Wo heute die Kempener Burg steht, hatte etwa um 1000 der Kölner Erzbischof einen Herrenhof angelegt, von dem aus die umliegende Region verwaltet wurde. Dieser Fronhof wird schon eine einfache Befestigung aus Graben, Erdwall und Palisaden gehabt haben. Etwa um 1250 setzte auch in unserer Region das Bestreben der Landesherren ein, ihre weit gestreuten Besitzungen zu kompakten Territorien zu verdichten. Im Zuge dieser Entwicklung baute der Kölner Erzbischof seinen Kempener Herrenhof zu einer steinernen Burg aus. Denn im Kampf um die Herrschaft über bestimmte Gebiete waren Burgen wertvoll als militärische Bastionen und als Symbolbauten. Mit ihren wuchtigen Mauern und Türmen signalisierten sie: „Hier hat der Erzbischof von Köln das Sagen!“ Oder: „Hier regiert der Graf von Kleve!“

Wann aus dem alten erzbischöflichen Herrenhof die erste Kempener Burg entstand, ist nicht überliefert; aber Reste von ihr sind noch da. Im Frühsommer 2016 entdeckte der Klever Burgenforscher Jens Wroblewski im Keller der heutigen Kempener Burg die drei Meter starken Außenwände der ersten Festung, gemauert aus auffallend großen Steinen, wie sie im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert verwendet wurden. Wahrscheinlich bildeten diese großformatigen Steine eine Ringmauer. Wahrscheinlich ist auch, dass diese erste Burg wie die heute noch stehende die Gestalt eines unregelmäßigen Dreiecks hatte.

     Der ursprüngliche Grundriss der heute noch existierenden Burg mit dem um 1810 abgerissenen dritten Flügel.

Der ursprüngliche Grundriss der heute noch existierenden Burg mit dem um 1810 abgerissenen dritten Flügel.

Foto: Kamplade/Kaiser

Etwa seit 1300 konkurrierten der Kölner Erzbischof und eine Nebenlinie der Grafen von Kleve um die Herrschaft über die Stadt Kempen und ihr Umland. Um 1311 hatte Dietrich Luf III. von Kleve, ein Vetter des regierenden Klever Grafen, an einem wichtigen Niersübergang Burg Oedt erbaut. Sie sollte das Zentrum einer eigenständigen Herrschaft werden. Zu Füßen der Burg entstand eine Siedlung, die die Keimzelle des heutigen Oedt war. Von Oedt aus griff der Klever Graf 1314 auf Kempen über. Dazu nutzte Dietrich Luf von Kleve eine günstige Gelegenheit: Kempens Landesherr, der Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg, brauchte gerade Geld. Der Klever Graf brachte den Erzbischof dazu, ihm gegen Zahlung einer großen Summe Stadt und Land Kempen zu verpfänden. Das Geschäft lohnte sich: Als Pfandherr konnte Dietrich Luf von den Kempenern reiche Einkünfte kassieren.

     Die Burg nach dem Umbau in ein Renaissance-Schloss.

Die Burg nach dem Umbau in ein Renaissance-Schloss.

Foto: Peter Bohnes

Heinrich von Virneburgs Nachfolger, Erzbischof Walram von Jülich (1322-1349), muss heilfroh gewesen sein, als er 1330 sein Kempener Territorium mit großer Anstrengung von Dietrich Luf zurückerwerben konnte. Der Klever Graf hatte sich in Kempen aufgeführt, als wäre nicht der Erzbischof, sondern er selbst der wirkliche Landesherr. Er hatte von den Bürgern Sondersteuern erpresst; er hatte den Kempener Pfarrer abgesetzt und durch einen Mann seiner Wahl ersetzt. Kurz: Stadt und Land Kempen waren drauf und dran, klevisch zu werden. Seit 1330 standen sie wieder unter der Herrschaft der Erzbischöfe von Köln. Im Jahre 1347 wird dann in einer Urkunde erstmals die Burg zu Kempen erwähnt – aber zu diesem Zeitpunkt kann sie durchaus schon älter gewesen sein.

Die Vermutung liegt nahe, dass der Kölner Erzbischof jetzt – zwischen der Rückgewinnung Kempens 1330 und der ersten urkundlichen Erwähnung einer Kempener Burg im Jahre 1347 – als Zeichen seiner zurückgewonnenen Herrschaft und um weitere Bedrohungen abwehren zu können, seinen befestigten Kempener Fronhof zu einer Burg ausgebaut hat. Quasi eine Schutz- und Trutzburg im noch nicht abgeschlossenen Kampf um Land und Stadt Kempen.

Erst 1349 kam die Herrschaft Oedt endgültig an das Erzbistum Köln; damit war der Kampf um die beiden Herrschaftsbezirke Kempen und Oedt zugunsten der Kölner Erzbischöfe entschieden. Auf den Burgen in Kempen und Oedt residierten nun Beamte des Landesherrn, des Kölner Erzbischofs. Und in Kempen plante man bald die Vergrößerung der Burg.

Die Gründe, die zum Bau der zweiten, heute noch stehenden Burg führten, liegen auf der Hand. Um 1370 war Kempens Stadtmauer vollendet, Türme und Tore suchten in ihrer Wehrhaftigkeit weit und breit ihresgleichen. Nur eins passte nicht in das imposante Bild: die alte erzbischöfliche Burg. Im Vergleich zur Befestigung der Bürger muss sie ziemlich unscheinbar gewirkt haben. Also: Ein neues, wuchtigeres Kastell musste her, das verlangte das Prestige des Landesherrn. Wichtiger noch war ein politischer Grund: Von 1380 bis 1392 hatte Erzbischof Friedrich von Saarwerden (er regierte von 1370-1414) mit dem Grafen von Kleve Krieg geführt. Jetzt, da eine Ruhepause eintrat, machte er sich daran, sein Herrschaftsgebiet zu sichern, dessen Befestigungen zu verstärken. Für die Verstärkung der alten Kempener Burganlage sprach auch das Aufkommen der neumodischen Feuerwaffen. Seit 1346 wurden im Norden des Deutschen Reiches die ersten Geschütze verwendet.

Auf einer Bronzetafel, die im Kramer-Museum aufbewahrt wird, ist nachzulesen, dass Friedrich von Saarwerden Anfang Mai 1396 den Bau der heute noch stehenden Kempener Landesburg befahl und dass die Arbeiten an ihr vier Jahre dauerten. Geleitet wurden sie von Johannes Hundt. Er war der Kellner, das heißt, der Finanz- und Wirtschaftsverwalter der erzbischöflichen Besitzungen und Einkünfte in Kempen. Vermutlich hat der vermögende Mann bei den Bauarbeiten aus eigenen Mitteln mitgeholfen. Dafür spricht, dass an der Kempener Burg sein Symbol, ein Hund, fünfmal zu sehen war. Ihr Architekt ist er wohl nicht gewesen. Im Kempener Süden ist seit 1994 eine Straße nach ihm benannt.

Fassen wir zusammen: Kempens erste Burg ist wahrscheinlich zwischen 1330 und 1347 gebaut worden, aber sicher ist das nicht. Für die Burg, wie wir sie heute kennen, sind die Baudaten 1396 bis 1400 überliefert. Sie ist aber sicherlich kein Neubau, sondern die Erweiterung und Verstärkung einer bereits vorhandenen Burganlage. Ein kompletter Neubau hätte drei Flügel gehabt, und vier Jahre Bauzeit hätten für ihn nicht ausgereicht.

Als Kempens neue Burg fertig gestellt ist, gilt sie wehrtechnisch als veraltet. Als Vorbild haben ältere Wehranlagen gedient wie die kurkölnischen Kastelle in Lechenich und Zülpich. Der gotische Hochbau in Kempen bietet keinen Platz für die Aufstellung größerer Geschütze. Die Burg ist vor allem als Symbolbau errichtet worden, weniger für militärische Zwecke. Weithin sichtbar soll sie klarmachen, dass Stadt und Land Kempen unter der Herrschaft des Erzbischofs von Köln stehen. Ihre Wehreinrichtungen taugen zur Abwehr marodierender Räuber- und Söldnerhaufen, nicht aber größerer Heerscharen.

Die besondere Schwachstelle der Kempener Burg war die offene Flanke des Innenhofes zur Feldseite hin, denn da fehlte ein dritter Flügel. Man hatte hier zwar eine dicke Wehrmauer aufgeführt, aber ohne Türme bot sie nur einen unzureichenden Schutz. Erst nachträglich baute man an sie zur Hofseite hin weitere Gebäude an, die gemeinsam einen Verbindungstrakt vom Nord- zum Ostturm bildeten. Als das Kempener Land wieder einmal von klevischen Truppen bedroht war, schüttete man, um diese Seite zu decken, im Jahre 1447 ein vorgelagertes Bollwerk auf, eine Plattform aus Erde, nach vorne von einer Steinmauer umringt. Die Umrisse dieser Erdbastion haben sich im Verlauf des heutigen Burgrings erhalten.

Als der Fortschritt der Geschütztechnik die alten Steinwälle über­flüssig machte, ließ der Erzbischof bzw. – wie man ihn mittlerweile nannte – der Kurfürst Ferdinand von Bayern die mittelalterliche Festung im Jahre 1634 zu einem Schloss im Renaissance-Stil mit Rittersaal und Prunkgemächern umbauen. Die Wohnflügel, vorher nur mit Schießscharten und kleinen Fenstern ausgestattet, erhielten nun große Fenster, wie sie heute noch zu sehen sind. Attraktive Pfeiler und Giebel belebten die bisher so eintönige Mauerfläche. Die zuvor feste Brücke wurde durch eine Zugbrücke ersetzt. Die zinnenbesetzten Rundtürme bekamen barocke Turmhelme.

Ein einziges Mal in ihrer Geschichte ist die Burg belagert worden: im Laufe des Dreißigjährigen Krieges. Nachdem am 7. Februar 1642 eine hessisch-französisch-weimarische Belagerungsarmee die Stadt Kempen besetzt hatte, zogen die Angreifer in der folgenden Nacht von der Stadtseite her ihre Geschütze vor die Burg. Von Erdschanzen gedeckt, eröffneten die feindlichen Kanonen und Mörser ihr Feuer auf die Festung. Eine mehrstündige Beschießung genügte, um das 240 Jahre alte Kastell fallen zu lassen. Zwar führte ihr Verteidiger, der tapfere Hauptmann Nagel, sein zusammengeschmolzenes Häuflein morgens um acht zu einem letzten Ausfall auf die Brücke, gegen die Angreifer, die bereits die Vorburg besetzt hatten. Aber von der Kugel einer Muskete getroffen, brach er zusammen, und der Rest der kurkölnischen Söldner trat zum Gegner über.

Das Kulturamt der Stadt Kempen bietet für Samstag, 2. Februar, 15 Uhr, eine Führung auf einen Turm der Kempener Burg an. Sie beginnt am Stadtmodell im Kramer-Museum, Burgstraße 19. Anmeldung erbeten unter Telefon: 02152 917-271.

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