RP-Gespräch mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Udo Schiefner Auf einmal steht man im Rampenlicht

Kreis Viersen · Der SPD-Bundestagsabgeordnete Udo Schiefner hat zum Jahresende einen besonderen Karrieresprung erlebt. Seine Fraktion in Berlin bestimmte den Kempener zum Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, der die Maut-Affäre aufklären soll.

 Udo Schiefner bei der konstituierenden Sitzung des Maut-Untersuchungsausschusses in Berlin.

Udo Schiefner bei der konstituierenden Sitzung des Maut-Untersuchungsausschusses in Berlin.

Foto: imago images/Christian Ditsch/Christian-Ditsch.de via www.imago-images.de

Er ist einer der fleißigen Abgeordneten, hat stets seinen Wahlkreis im Blick. Und doch hat sich das Leben von Udo Schiefner in den vergangenen Monaten erheblich verändert. Der 60 Jahre alte Kempener wurde vom Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, als Vorsitzender des neuen Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags vorgeschlagen, der die Maut-Affäre um Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) aufklären soll. Die SPD-Fraktion stimmte zu, dass der Verkehrsexperte Schiefner diese Aufgabe übernehmen sollte.

Und damit änderte sich zum Jahresende viel für den Kempener, der bislang in der zweiten Reihe der SPD-Bundestagsfraktion agiert hatte und auch das Rampenlicht im Polit-Betrieb rund um Reichstag und Abgeordnetenbüros im Regierungsviertel nicht allzu sehr mag. Schiefner will nicht ständig von Journalisten vor Mikrofone und Kameras gezerrt werden. Er ist auch gut sechs Jahre, nachdem er zum ersten Mal in den Reihen der SPD-Bundestagsfraktion Platz nahm, bodenständig und heimatverbunden geblieben.

Der 60-Jährige, der aus einem sozialdemokratischen Elternhaus stammt, viele Jahre in Kempen von der Pike auf Kommunalpolitik gemacht hat und noch immer dem Viersener Kreistag als Abgeordneter angehört, musste in den vergangenen Wochen seine Arbeitszeit genauer planen. Die Arbeit an der Spitze des Untersuchungsausschusses macht dem Kempener Spaß, sie ist aber auch sehr aufwendig. „Ein Untersuchungsausschuss ist eigentlich kein Grund zur Freude. Denn es gilt, einem schwer wiegenden Problem und Versagen auf den Grund zu gehen“, sagt er. Bis Anfang 2021 nimmt sich Schiefner nun mit den Mitgliedern des Gremiums erst mal Zeit, um Licht ins Dunkel der Affäre zu bringen. Dass er kein studierter Jurist ist, spielt dabei keine Rolle. Der Ausschuss verfügt über ein Sekretariat mit sieben sach- und fachkundigen Mitarbeitern, die die Sitzungen umfassend vorbereiten. Dafür müssen mehr als tausend Akten gesichtet und ausgewertet werden. Dazu werden Beteiligte befragt, von Vertretern der beteiligten Behörden wie des Kraftfahrtbundesamts, des Bundesrechnungshofs oder Mitarbeitern des Bundesverkehrsministeriums bis hin zum Minister Scheuer selbst. Mindestens einmal in der Woche tagt der Untersuchungsausschuss. Im Schnitt dauert eine Sitzung zehn bis zwölf Stunden. „Das wird kein Zuckerschlecken“, sagt Schiefner.

Die Arbeit im Kontrollgremium muss Schiefner neben der regulären Tätigkeit im Bundestag – er arbeitet schwerpunktmäßig im Verkehrs- und im Petitionsausschuss – erledigen. Und auch der Wahlkreis darf nicht zu kurz kommen. Der Kempener ist nach wie vor SPD-Kreisvorsitzender. Da gilt es schon jetzt auch die Kommunalwahlen am 13. September 2020 im Kreis Viersen mit vorzubereiten. Die CDU hat Landrat Andreas Coenen zur Wiederwahl nominiert. Die Sozialdemokraten auf Kreisebene werden wohl einen eigenen Kandidaten oder eine eigene Kandidatin ins Rennen um das Spitzenamt im Viersener Kreishaus schicken. Noch läuft die Personalfindung, in die Udo Schiefner selbstverständlich eingebunden ist. Ein Programm zur Kreistagswahl werde im ersten Quartal 2020 beraten und festgelegt. Dann werde auch über Personalfragen entschieden, so Schiefner. Zentrale Themen seien aber mit Sicherheit Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum, Mobilität der Zukunft in Zusammenhang mit dem Klimaschutz, Bildung und Angebote für Familien und die Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes Kreis Viersen. „Wichtig: Der Kreis Viersen darf nicht zum Schlafkreis der Großstädte in der Region verkümmern“, betont der Kempener.

Die vergangenen Monaten waren auch mit Blick auf die Diskussionen um eine neue Führungsspitze der eigenen Partei für den Sozialdemokraten Schiefner nervenaufreibend. Er hat mehrfach betont, dass die SPD ihre Erfolge innerhalb der Regierungskoalition mit CDU und CSU „unter Wert verkauft“ hat. „Die GroKo hat viel erreicht“, betont Schiefner. Die positiven Dinge, die seine Partei erreicht hätte, seien aber in der allgemeinen politischen Diskussion leider untergegangen. „Die Wähler haben das nicht honoriert“, meint Schiefner. Er stellt zunehmend ein sich wandelndes Bild in der Gesellschaft fest. Kompromisse, wie sie nun zum politischen Geschäft gehörten, würden zunehmend eher negativ gesehen. Es gelte nur noch der Grundsatz: Ganz oder gar nicht. „Statt zu sagen, das Glas ist halb voll, heißt es immer häufiger, das Glas ist halbleer.“

Und noch eins empfindet Schiefner als erschwerend auch für die Arbeit eines Politikers, der sich fürs Allgemeinwohl einsetzen will: In den sozialen Netzwerken wird die Tonlage immer schärfer. Es werde Stimmungsmache betrieben, Hemmschwellen würden immer häufiger überschritten. Es sei ein gesamtgesellschafliches Phänomen: Der respektvolle Umgang miteinander nimmt ab.

Für das neue Jahr hofft Schiefner, dass in der deutschen Sozialdemokratie nach dem Mitgliederentscheid um die neue Führung der SPD wieder Ruhe einkehrt. Die beiden Vorsitzenden müssten nun der Partei eine klare Linie vorgeben. Die Partei müsse den Bürgern klarmachen, wo die SPD steht. Die Sozialdemokratie sei immer die Partei gewesen, die sich besonders für soziale Gerechtigkeit starkgemacht habe und gegen jede Form der Diskriminierung und Benachteiligung eingetreten sei. Das müsse auch künftig so sein. „Auch Handwerksmeister und Facharbeiter verdienen unsere Solidarität“, meint Schiefner, der in diesem Zusammenhang an Willy Brandt oder Helmut Schmidt erinnert, die es stets verstanden hätten, verschiedene Gruppen der Gesellschaft zusammenzubringen.

Was das Erscheinungsbild der großen Koalition in Berlin betrifft: „Das könnte deutlich besser sein“, meint Schiefner. Es sei richtig und im Koalitionsvertrag auch so schriftlich hinterlegt, nun eine Zwischenbilanz zu ziehen. Dass zuletzt immer wieder die Schicksalsfrage der GroKo gestellt worden sei, sei der politischen Arbeit für den Bürger nicht zuträglich gewesen. Aus SPD-Sicht sei es legitim, jetzt mit der Union über die weitere gemeinsame Arbeit bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 zu verhandeln. Schiefner spricht sich für die Fortsetzung der Regierungskoalition aus. Sollte es jedoch zu keiner gemeinsamen Linie, bei der sicherlich alle drei Partner Kompromisse eingehen müssten, kommen, wäre auch eine vorzeitige Beendigung der GroKo denkbar. „Das ewige Hin und Her bringt uns nicht weiter. Wir brauchen eine klare Entscheidung“, sagt Schiefner.

Eine klare Entscheidung wünscht sich der Kempener, der viele Jahre im Stadtrat seiner Heimatstadt für die SPD-Fraktion mitgearbeitet hat, auch bei der Kommunalwahl im nächsten Jahr. Unter Amtsinhaber Bürgermeister Volker Rübo werde zu viel verwaltet und zu wenig gestaltet. „Wir brauchen frischen Wind im Rathaus“, meint Schiefner. Mit Stadtsprecher Christoph Dellmans hätten SPD und Grüne sicherlich einen geeigneten Kandidaten, um im Rathaus für diesen frischen Wind zu sorgen.

Was ihn zuletzt sehr gefreut hat, ist die Entwicklung, die Borussia Mönchengladbach genommen hat. Schiefner ist Mitglied des Vereins.

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