Gemeinde Grefrath Rapunzel trifft Elvis in der Dorenburg

Gemeinde Grefrath · Morgen eröffnet das Niederrheinische Freilichtmuseum die Ausstellung "Kopfsache. Zur Kulturgeschichte der Haare". Das "Hautanhangsgebilde" wird dabei interessant wie unterhaltsam zwischen Mythos und Moderne präsentiert.

 Museumsreifer Friseursalon aus den 50er Jahren, besichtigt von Kreiskulturdezernent Dr. Andreas Coenen, Museumsleiterin Anke Wielebski und Kuratorin Anisha Mülder-van Elten.

Museumsreifer Friseursalon aus den 50er Jahren, besichtigt von Kreiskulturdezernent Dr. Andreas Coenen, Museumsleiterin Anke Wielebski und Kuratorin Anisha Mülder-van Elten.

Foto: Kaiser

Elvis Presley ist da, Marilyn Monroe und Elizabeth Taylor. Ganz zu schweigen vom Struwwelpeter und Pippi Langstrumpf. Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Bonn hat einen Frisierstuhl aus dem Barbershop der US-Kaserne in Friedberg/Taunus ausgeliehen, wo der "King of Rock'n'Roll" zwischen 1958 und 1960 seinen Wehrdienst ableistete. In der neuen Ausstellung des Niederrheinischen Freilichtmuseums in der Dorenburg ist viel Musik drin, Thema ist aber vielmehr das mehr oder weniger vorhandene Haar auf dem Kopf.

Morgen um 11 Uhr (bis 13 Uhr ist freier Eintritt) wird die Ausstellung "Kopfsache" eröffnet. Kuratiert hat sie die 29-jährige Düsseldorfer Historikerin Anisha Mülder-van Elten M.A., die damit ihr wissenschaftliches Voluntariat am Freilichtmuseum abschließt. Anstoß zu dieser Ausstellung gab vor mehr als einem Jahr ein Haarbild aus der Dauerausstellung des Hauses. Im 19. Jahrhundert war es in Bürgerhäusern wie Bauernhöfen üblich geworden, aus dem Haar geliebter, meist verstorbener Menschen Schmuck oder Bilder mit floralen Motiven zu flechten. Zur Ausstellung erschien ein kleiner Katalog mit Abbildungen und sehr erhellenden Begleittexten (er wird für 5,95 Euro angeboten).

35 Museen und zahlreiche private Leihgeber haben erwartbare wie überraschende Exponate für diese Ausstellung zur Verfügung gestellt. So ist sogar ein halber Friseursalon aus den 50er Jahren im Museum aufgebaut - mit Leihgaben aus Neukirchen-Vluyn und Bremen. Doch die Ausstellung spannt einen weiten Bogen durch Geschichte und Kontinente. Sie beginnt bei römischen Münzen des 1. Jahrhunderts. Die Frisuren des Adels waren damals schon stilprägend. Sklaven durften übrigens kein langes Haar tragen. Durch die Zeiten zieht sich das Kahlscheren von untergebenen Menschen hin, von der Antike bis zu den KZs und der Behandlung von Kollaborateurinnen im befreiten Frankreich. Erinnert wird an die Geschichte von Samson im Alten Testament, der seine Kraft seinem ungeschorenen Haupthaar verdankt. Oder die Ptolomäer-Königin Berenike II., die ihr langes Haar der Liebesgöttin Aphrodite opferte, damit ihr Mann heil aus dem Krieg zurückkomme. Das Haar im Tempel wurde zum Sternbild in den Himmel gehoben.

Die Römer liebten blondes Haar. Es galt ihnen als Abbild der Sonne. Aber selbst bis in unsere Märchenwelt zieht sich die blonde Heldin (Frau Holle mit Gold-Marie und Pech-Marie), und Blondinen wie Marilyn Monroe, Brigitte Bardot und Anita Ekberg wurden zu verführerischen Filmlegenden - Schneewittchen und Elizabeth Taylor sind als dunkelhaarige Schönheiten eher die Ausnahme. Rotes Haar wurde erst im Mittelalter mit Feuer und dem Teufel in Verbindung gebracht. Langes Haar war auch in anderen Kulturkreisen mit Bedeutung aufgeladen. Der hinduistische Gott Shiva fängt mit seinem Haar das Wasser der Göttin Ganga auf und leitet es so auf die Erde weiter. Auch Buddha trägt auf dem Kopf als Zeichen seiner Erleuchtung einen Haarknoten (Ushnisha).

 Alemannische Fastnachtsmaske: Wilde Männer tragen Vollbart.

Alemannische Fastnachtsmaske: Wilde Männer tragen Vollbart.

Foto: Kaiser, Wolfgang (wka)

Wilde Männer werden mit Bärten dargestellt (alemannische Fastnacht), verheiratete Frauen trugen ihr Haar verdeckt (sind unter "die Haube gebracht"). Während das lange Haar Mariens als Zeichen ihrer Reinheit und Unbeflecktheit gilt, wird Magdalenas offenes Haar als Zeichen der Sünde interpretiert. In der Ausstellung sprechen eine Nonne, eine Muslima und eine orthodoxe Jüdin in einem Video über das Verbergen ihrer Haare.

In der Neuzeit wurde Haarlosigkeit bei Männern als Zeichen von Impotenz gesehen. Am Hofe des Sonnenkönigs wurde die Allongeperücke für Männer Mode. Die Frauen zogen nach. Und da man diese Perücken und das eigene Haar nicht waschen konnte, wurde gepudert, zusätzlich Flohfallen mit Honig in die Frisur gesteckt. Noch heute gibt es im angelsächsischen Bereich die Richterpe-rücke, die ein besonderes Zeichen des Amtes und seiner Würde ist. Erst im 19. Jahrhundert wird das eigene Haar wieder zum "Träger der Seele". Und als im 20. Jahrhundert die Männer wieder mit langen Haaren herumliefen, wurde dies zum Zeichen des Protestes und der Gegenkultur. Die Stasi gab eine Studie in Auftrag, die Zusammenhänge zwischen Frisur und Gesinnung belegen sollte. Aber auch der kahlrasierte Schädel kam in Mode - die Ausstellung erinnert an den US-Schauspieler Telly Savalas alias Kojak oder an die irische Sängerin Sinead O'Connor, die kahlköpifg ihren Hit "Nothing Compares 2 U" sang.

Ob Struwwelpeter, Punk, Barbie oder Normalo - die haarige Angelegenheit in der Dorenburg bleibt bis zum 31. Mai vor Ort zu besichtigen.

(RP)
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