Frederik Spinne "Pollenallergie muss man ernst nehmen"

Kempen · In der Viersener Innenstadt machte jetzt das Allergiemobil Halt. Experte Frederik Spinne beriet die Passanten.

Viersen Der Roggen, das Rispen- und Ruchgras machen derzeit vielen Allergikern das Leben schwer: Wer gegen ihre Pollen allergisch ist, hat mit Schniefnase, juckende Augen oder sogar Atemnot zu kämpfen. Deshalb ist derzeit das Allergiemobil des Deutschen Allergie-und Asthmabunds (DAAB) im Einsatz. Gestern machte es Halt auf dem Sparkassenvorplatz in der Viersener Innenstadt. Frederik Spinne, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim DAAB, beriet Passanten und führte bei Bedarf kostenlos einen Lungenfunktionstest durch. Der Allergie-Experte erklärt, welche Pollen aktuell fliegen, wie Kranke ihre Allergie lindern können und warum eine Kortison-Spritze das letzte Mittel der Wahl sein sollte.

Welche Fragen hören Sie derzeit am häufigsten?

Spinne Die klassische Frage ist: Was fliegt denn da?

Und Ihre Antwort?

Spinne Jetzt fliegen Gräser- und Roggenpollen. Sie gehören zu den wichtigsten Auslösern von Heuschnupfen. Die Blüte der Gräser beginnt im Mai und dauert bis Oktober.

Etwa ein Drittel der Deutschen leidet unter allergischen Erkrankungen. Werden sie zu oft als Alltagswehwehchen abgetan?

Spinne Das kommt darauf an. Jeder empfindet das. Was für den einen nur lästiges Niesen ist, kann ein anderer als unerträglichen Heuschnupfen empfinden. Der Leidensdruck ist da sehr unterschiedlich. Aber es stimmt, dass Allergien oft nicht ernst genommen werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Spinne Es hängt davon ab, wie händelbar der Betroffene seine Allergie im Alltag erlebt und wie stark die Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Aber spätestens wenn die Allergie auf die Atemwege schlägt, sollte man einen Allergologen aufsuchen.

Welche Ärzte kommen da in Frage?

spinne Man muss schauen, welche Ärzte eine Zusatzqualifikation als Allergologe haben. Manche Haus- und Kinderärzte haben das. Bei den Fachärzten haben oft Dermatologen, Hals-Nassen-Ohren- und Lungenfachärzte diese Zusatzqualifikation.

Was kann man konkret bei einer allergische Reaktionen machen?

Spinne Da sind zum einen die freiverkäuflichen anti-allergischen Medikamente vom Nasenspray bis zum Anti-Histaminikum in Tablettenform. Wenn sie zu müde machen oder nicht ausreichend helfen, kann der Arzt auch Medikamente verschreiben. Busfahrer und Piloten beispielsweise brauchen Anti-Histaminika, die nicht müde machen.

Und wenn das nicht hilft . . .

Spinne . . . sollte man über eine Hyposensibilisierung nachdenken. Dafür muss der Auslöser der Allergie bekannt sein. Eine Hyposensibilisierung dauert drei Jahre. Man kann entweder zum Arzt gehen und sich in Intervallen Spritzen geben lassen oder drei Jahre lange Tropfen oder Tabletten einnehmen. Bei Letzterem muss man diszipliniert sein.

Wie sind die Erfolgsaussichten bei einer Hyposensibilisierung?

Spinne In rund 75 Prozent der Fälle schaffen sie Abhilfe, was aber nicht heißt, dass die Pollenallergie dann komplett verschwunden ist.

Wann sollte man zur Kortison-Spritze greifen?

Spinne Eine hohe Dosis Kortison hat immer Nebenwirkungen. Man läuft Gefahr, dass es im akuten Fall nicht mehr wirkt. Deshalb sollte man wirklich nur bei sehr hohem Leidensdruck und langer Krankheitsgeschichte dazu greifen.

Sie können keine konkreten Empfehlungen für einen Arzt aussprechen. Wie verstehen Sie Ihre Aufgabe?

Spinne Oft fehlt es an Aufklärung, oder die Allergie wird nur am Rande als Problem wahrgenommen. Wir sind Lotsen, wir können Orientierung bieten. Möglicherweise sagt ein Patient danach, das Thema gehe ich an.

Man hört oft, dass die Pollen immer aggressiver werden. Stimmt das?

Spinne Es gibt Jahre, in denen besonders viele Pollen fliegen. Bei den Birkenpollen war dieses Jahr ein Mastjahr. Auch die Gräserpollenbelastung ist in diesem Jahr sehr hoch. Davon abgesehen hängen allergische Reaktionen von vielen Faktoren ab: Zum Beispiel davon, ob man im Winter eine Grippe hatte und das Immunsystem geschwächt ist.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE SABINE JANSSEN.

(RP)
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