Gemeinde Grefrath Plädoyer gegen Terror im Namen Allahs

Gemeinde Grefrath · Terrorexperte Rolf Tophoven diskutierte mit Dr. Mouhanad Khorchide. Der Islamwissenschaftler forderte mehr Toleranz für Andersgläubige. Die Politik müssen sich um junge Muslime kümmern, die zum Extremismus neigen.

Bei der Diskussion im Grefrather Cyriakushaus (v.l.): Johannes Quadflieg, Dr. Mouhanad Khorchide, Barbara Münzenberg und Rolf Tophoven.

Bei der Diskussion im Grefrather Cyriakushaus (v.l.): Johannes Quadflieg, Dr. Mouhanad Khorchide, Barbara Münzenberg und Rolf Tophoven.

Foto: wolfgang Kaiser

Nach wie vor steht der liberale Islamwissenschaftler Professor Dr. Mouhanad Khorchide unter strengem Polizeischutz. Nicht zuletzt deshalb, weil er nach den Anschlägen von Paris die Haltung vieler Muslime kritisiert hatte, die sich zwar von den Salafisten oder Extremisten distanzierten, aber nicht bereit seien, den Diskurs über den in einem Zeitraum von 22 Jahren (von 610 bis 632) geschriebenen Koran zu führen, sich damit wirklich einmal der heutigen Zeit entsprechend aus einander zu setzen. Gemeinsam mit dem in Grefrath lebenden Terrorismus-Experten Rolf Tophoven (67) fand im Cyriakis-Haus ein sehr informativer Gesprächsabend zum provokativ gewählten Thema statt - "Terror im Namen Allahs - gottgewollt?".

Es war vor etwa 130 Besuchern, darunter Christen und einige wenige Muslime, die Fortsetzung einer Tophoven-Veranstaltung von September vergangenen Jahres. Damals hieß die Frage: "Durch Terror zum Gottesstaat?" "Dazu wollten die Leute mehr wissen", sagte Tophoven. "Helfen Sie uns weiter auf die Sprünge, klären Sie uns auf", meinte bei der Begrüßung der Pfarrer Johannes Quadflieg, der den Abend gemeinsam mit der evangelischen Pfarrerin Barbara Münzenberg organisiert hatte.

Der derzeitige Lehrauftrag von Khorchide, der die Vision eines modernen und aufgeklärten Islam hat, machte anfangs deutlich, um was es dem 43-jährigen Professor für Islamische Religionspädagogik geht. Er leitet das Zentrum für Religiöse Studien und bildet mit anderen an der Universität in Münster islamische Religionslehrer aus, aber auch ehrenamtliche Imame, die dann nach ihren Abschlüssen in den Schulen oder Moscheegemeinden in türkischer und deutscher Sprache den zeitgemäßen Koran lehren sollen. Dazu zähle auch, so Khorchide, dass man die damalige Zeit, als der Koran, also das islamische Gesetz entstand, mit den damaligen Machtkämpfen und unterschiedlichsten Interessen versteht, daraus Rückschlüsse hin zu einem friedlichen Leben in der heutigen Zeit zieht und mehr Toleranz für die Andersgläubigen entwickelt. Das Interesse an der Uni Münster wachse kontinuierlich: Waren es 2010 noch drei Mitarbeiter und 13 Studierende, seien es jetzt bereits 60 Mitarbeiter und 650 Studenten.

Der Wissenschaftlicher sprach zwar davon, dass sich grundsätzlich die Religion von ihrem politischen Einfluss trennen müsse, wünschte sich aber von der Politik gerade für die jungen Muslime, die aus den verschiedenen Gründen zu Extremisten würden, eine viel bessere Perspektive, denn viele seien in der heutigen Leistungsgesellschaft auf der Verliererseite und gäben die Schuld den "Ungläubigen". Sie seien daher auf ständiger Suche nach Anerkennung. Da kämen ihnen die Hassprediger gerade recht. Khorchide: "Wir brauchen auch viel mehr Begegnungsräume für diese jungen Leute." Sie bräuchten auch begleitende Theologen oder Pädagogen, die ihre Sprache sprechen müssten.

Terror im Namen Allahs sei nicht hinnehmbar. Auch im Irak-Krieg habe es, so Khorchide, unter den Einheimischen viele "Verlierer" gegeben, die dann in der Folge zu IS-Kriegern geworden seien. Die Muslimen seien dem Grunde nach friedlich und gewaltfrei. Als nur ein Beispiel nannte der Experte Indonesien mit seinen mehr als 240 Millionen Muslime: "Dort gibt es kaum Übergriffe, weil das politische und soziale Gefüge stimmt."

Einige äußerten in der anschließenden Diskussionsrunde ihre Angst vor weiteren Anschlägen auch in ihrer Nähe. Andere wünschten sich mehr Begegnungen der verschiedenen Religionsgemeinschaften untereinander. Mittendrin saß der Vorsitzende des Kempener Vereins der Türkisch-Islamischen Gemeinde (DITIB), Khan Avci. Der 49-Jährige sagte: "Jeder, der mit friedlichen Absichten kommt, ist bei uns willkommen." Am 7. Mai wird Khan Avci in der Vereins-Moschee die Klasse 9 a der Mülhausener Liebfrauenschule begrüßen. Religionslehrer Georg Borsch hatte gerade den Besuch klar gemacht. Langer Schluss-Applaus nach fast zweieinhalb Stunden für Rolf Tophoven und Mouhanad Khorchide, der generell noch anmerkte: "Jede Religion ist so friedlich, wie wir friedlich sind und so gewalttätig, wie wir gewalttätig sind."

(wsc)
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