Kempener Klosterkonzerte Schlussakkord bei „Klavier extra“: Der Flügel und sein Mentor

KEMPEN · Der Pianist Matthias Kirschnereit verabschiedete in der Paterskirche mit einem eingängigen Programm den Steinway-Flügel, der in Köln generalüberholt wird.

 Pianist Matthias Kirschnereit spielte wieder in Kempen.

Pianist Matthias Kirschnereit spielte wieder in Kempen.

Foto: Maike Helbig

Matthias Kirschnereit hat ihn im Laufe der Jahre häufiger gespielt – den Steinway-Flügel der Paterskirche mit der außergewöhnlichen Klangqualität, den er vor 20 Jahren in Hamburg mit ausgesucht hatte. Nun werden die Mechanik des kostbaren Instruments und die Saiten  in einer Kölner Spezialwerkstatt erneuert. Im September muss der Flügel dann „eingespielt“ werden, und dafür hatte Peter Landmann, der Künstlerische Leiter der Kempener Klosterkonzerte, eine zündende Idee: Wer sich am Einspielen beteiligen möchte, kann sich in eine Liste mit Telefonnummern eintragen, und das Kulturamt vermittelt einen Termin. Auf diese Weise kann man in den  Genuss kommen, einmal auf einem Steinway zu spielen. Kurz vor dem ersten Konzert – am 2. Oktober – stimmt dann ein Fachmann das Instrument noch einmal minutiös auf den Konzertraum ein.

Zum „Abschied“ hatte Kirschnereit ein hochkarätiges, doch eingängiges Programm erdacht. Er begann mit dem beliebten „Italienischen Konzert F-Dur BWV 971“ von Johann Sebastian Bach, dem er eine zupackend brillante und glutvolle Interpretation angedeihen ließ. Dennoch blieb das eingängige Opus immer wunderbar durchsichtig.

Ebenfalls in F-Dur stehen die sechs im Jahre 1802 entstandenen Variationen, denen Ludwig van Beethoven ein eigenes Thema zugrunde legt und jeder Variation eine andere Tonart gibt. Sie gehören zu den wenigen unbeschwert erscheinenden Kompositionen Beethovens.

Äußerst populär ist Wolfgang Amadeus Mozarts Sonate A-Dur KV 331. Das liegt einmal an dem sanglichen, ohrwurmverdächtigen Thema, mehr noch an dem beliebten, das Werk  beschließenden „Türkischen Marsch“,  der nach und nach von der Unterhaltungsbranche bis hin zu den  Rappern vereinnahmt wurde.

Kirschnereit spielte dieses musikalische Kleinod, das in seiner Zusammenstellung von Andante mit Variationen, Menuett und Rondo eher als Suite bezeichnet werden könnte, so leichtfüßig wie eindrücklich, mit blitzendem Laufwerk, dann wieder ganz verinnerlicht und mit einer ausgesucht feinen Anschlagskultur.

Zum gewichtigen und umfangreichen Werk im zweiten Teil des Konzertes – der Sonate f-Moll op.5 von Johannes Brahms – vertrat der Pianist eine „gewagte These“: In diesen fünf Sätzen des 20-Jährigen erahne dieser bereits alle seine Lebensphasen. Beispielsweise das stimmungsvolle Andante, ein Nachtgemälde, das die innige Liebe des jungen Brahms zu Agathe von Siebold versinnbildlicht. Doch schon kurz nach der Verlobung löste der stets um Ungebundenheit bemühte Tonsetzer die Verbindung. Auch das kommt in der Sonate zum Ausdruck – das eingeschobene „Intermezzo“ (4. Satz) beginnt mit den Tönen F-A-E=„Frei aber einsam“, dem Lebensmotto des Künstlers.

Dank der Erklärungen des Pianisten konnte das gebannt lauschende Publikum die unbändige Kraft der Brahms’schen Phantasie und die leidenschaftliche Lyrik der großartigen Komposition bestens verfolgen. Der Künstler interpretierte voller Poesie, mit reichen dynamischen Schattierungen und auch in den durchaus vorhandenen Phasen jugendlichen Sturms nie zu  kompakt, sondern klar und glänzend.

Seiner Freude über den frenetischen Beifall gab der Gast Ausdruck mit Debussys „Mouvement= Bewegung („damit Kempen auch in Zukunft in Bewegung bleibe“) und mit Brahms‘ „Abschiedswalzer“.

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