Stadt Kempen Ohne Qualifikation geht gar nichts

Stadt Kempen · Ob Flüchtlinge oder Schulabgänger: Qualifikation und Ausbildung sind das A und O. Bei den Flüchtlingen sind besonders Sprachkenntnisse wichtig. Viele Unternehmen spüren inzwischen den Mangel an Fachkräften.

 Sie präsentierten gestern die aktuelle Arbeitsmarktstatistik und warfen einen Blick in das neue Jahr (v.l.): Hartmut Schmitz (Unternehmerschaft), Dirk Strangfeld (Agentur für Arbeit) und Ralf Köpke (DGB).

Sie präsentierten gestern die aktuelle Arbeitsmarktstatistik und warfen einen Blick in das neue Jahr (v.l.): Hartmut Schmitz (Unternehmerschaft), Dirk Strangfeld (Agentur für Arbeit) und Ralf Köpke (DGB).

Foto: Michael Becker, agentur für Arbeit

/ grefrath Die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt ist eine der Herausforderungen, denen sich die Agentur für Arbeit in neuen Jahr stellen muss. Das betonte gestern Dirk Strangfeld, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit, bei der Vorlage der aktuellen Monatsstatistik, die auch einen Ausblick auf 2017 enthielt. Er attestierte den Unternehmen der Region eine große Bereitschaft, sich um diesen Personenkreis zu kümmern. Hartmut Schmitz, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerschaft Niederrhein, betonte die Wichtigkeit des Sprachniveaus: "Ohne Deutschkenntnisse ist es problematisch, eine Ausbildung zu beginnen." Als ungelernter Helfer sei man deutlich schneller im Geschäft, so Strangfeld, aber das könne keine dauerhafte Lösung sein: "Da fehlt die Perspektive." In Krefeld und im Viersen stehen aktuell etwas mehr als 3000 arbeitssuchende Flüchtlinge zu Buche.

Sobald sie ausreichend qualifiziert sind, können sie dazu beitragen, den in vielen Branchen bereits zu spürenden Mangel an Fachkräften zu beseitigen. Viele erfahrene Mitarbeiter gehen in den nächsten Jahren in Rente. Um sie zu ersetzen, sei auch Berufserfahrung wichtig: "Wir haben keine Zeit zu verlieren", betont Schmitz.

Ebenso wichtig bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels ist Ausbildung. In der Region stagniert dieser Markt in den vergangenen Jahren. "Das ist für uns eine besondere Herausforderung", sagt Strangfeld. Selbst rechnerisch gibt es momentan nicht für jeden Bewerber eine Lehrstelle. Andererseits gibt es aber noch freie Ausbildungsplätze in eher unbekannten Berufen. Einmal mehr appellieren Arbeitsagentur und Unternehmerschaft an die Jugendlichen, flexibel zu sein und nicht stur am Traumberuf zu kleben. Die Berufsberatung zeige auf Wunsch meist vorhandene Alternativen auf.

Die Angst, keine Fachkräfte zu bekommen, sei bei den Unternehmen spürbar, sagt Schmitz: "Bei den prognostizierten zurückgehenden Schülerzahlen ist es umso dringender, Nachwuchskräften attraktive Ausbildungsmöglichkeiten aufzuzeigen und sie für das eigene Unternehmen zu gewinnen." Bei kleineren Unternehmen sei es allerdings oft so, dass sie mit der Ausbildung aufhören, wenn sie einmal schlechte erfahrungen gemacht haben.

Für die berufliche Zukunft seien Ausbildung und Qualifikation das A und O. "Sie ist der Schlüssel, Menschen dauerhaft in einer sich wandelnden Arbeitswelt in Beschäftigung zu bringen" sagt der DGB-Kreisvorsitzende Ralf Köpke. Doch ohne die Bereitschaft der Gesellschaft, sich zu wandeln, der Partner am Arbeitsmarkt und letztlich jedes einzelnen Unternehmens, dieses Ziel zu verfolgen, könne man das Problem nicht lösen.

Bei den arbeitssuchenden Jugendlichen haben fast die Hälfte keine Ausbildung. Auf der anderen Seite ist der Markt für die so genannten Helfer eng: Für sie kommt nur ein knappes Viertel der freien Stellen infrage. Momentan stehen in Krefeld und im Kreis Viersen 10.945 Personen mit Helferniveau gerade einmal 1102 Stellen zur Verfügung, die diesem Niveau entsprechen.

Für das neue Jahr nannte Dirk Strangfeld neben den bereits erwähnten Schwerpunkten die Vermittlung von Schwerbehinderten, die oft hoch qualifiziert und sehr motiviert seien. Wichtig sei weiterhin, die Zahl der Langzeitarbeitslosen zu senken. Auch hier fiel wieder das Stichwort Qualifikation. Eine große Herausforderung sei die Digitalisierung: "Arbeit ist weiter da, aber sie wird sich ändern", prophezeit Strangfeld. In Großunternehmen sei das kein Problem, sagt Hartmut Schmitz, wohl aber in vielen kleinen und mittleren: "Wir müssen ihnen klar machen, dass an der Digitalisierung kein Weg vorbeiführt." Mit dem Thema sind auch die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit befasst. Sie müssen beispielsweise wissen, welche Berufsbilder besonders betroffen sind.

Die Unternehmerschaft kann zum Jahreswechsel durchaus erfreuliche Zahlen vorlegen. Der Ausblick falle weniger rosig aus: "Ein echter Aufschwung fühlt sich anders an", sagt Schmitz. In der Metall- und Elektroindustrie erwartet die Hälfte der Betriebe für das neue Jahr Rückgänge. Grund sind unter anderem die Unsicherheit nach der Wahl Trumps zum US-Präsidenten und vor der Wahl in Frankreich. Entlassungen planen die meisten nicht, zu groß ist inzwischen die Angst vor einem künftigen Mangel an Fachkräften.

(RP)
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