Kempen Notfallseelsorge: Schichtdienst für die Seele

Kempen · Susanne Mertens und Birgit Stenmans stehen Angehörigen nach Todesfällen bei.

 Die Notfallseelsorgerinnen Susanne Mertens und Birgit Stenmans (r.) sind ausgerüstet mit Westen und Rucksäcken mit Teddys und Traubenzucker.

Die Notfallseelsorgerinnen Susanne Mertens und Birgit Stenmans (r.) sind ausgerüstet mit Westen und Rucksäcken mit Teddys und Traubenzucker.

Foto: RP-Foto_ Knappe

Als Birgit Stenmans zur lila Jacke mit dem farbigen Emblem greift, diese anzieht und Susanne Mertens in eine lilafarbene Weste schlüpft, ernten sie von den Besuchern im Saal des Seniorenzentrums Maria Hilf in Viersen fragende Blicke. "So begegnen wir den Menschen, wenn wir zur Hilfe gerufen werden", folgt die Erklärung der beiden Notfallseelsorgerinnen, während sie Jacke und Weste mit dem Schriftzug "Notfallseelsorge" auf dem Rücken wieder hinter ihre Stühle hängen. Und dann sind die beiden Frauen auch schon mitten im Thema, das Mertens seit 2010 und Stenmans seit 2014 begleitet.

Die Nettetalerin und die Oedterin sind Notfallseelsorgerinnen. "Ich bin Lehrerin an einer Schule. Im Jahr 2009 warf sich eine ehemalige Schülerin unserer Schule vor einen Zug", erinnert sich Susanne Mertens. "Wir alle waren mehr als nur betroffen und dankbar über die Notfallseelsorger, die uns betreuten." Dies habe damals in ihr den Wunsch geweckt, genau diese Hilfe auch an andere Menschen in Notsituationen zu geben.

Bei Birgit Stenmans, die im Hauptberuf kaufmännische Angestellte ist, war es hingegen die eigene Familie, die die 53-Jährige den Weg zur Notfallseelsorge einschlagen ließ. "Ich gehöre seit Jahren den Maltesern an, meine Kinder sind teilweise im Rettungsdienst tätig." Durch die Krisengespräche sei die Arbeit der Notfallseelsorger immer wieder in ihr Blickfeld gekommen. "Ich wollte selber wieder näher am Menschen sein und entschloss mich zur Ausbildung", berichtet Stenmans.

Die Ausbildung zum Notfallseelsorger läuft über ein dreiviertel Jahr. Es sind themenbezogene einzelne Abschnitte, zu denen auch Praktika bei der Polizei und Rettungswache gehören. Dies ist wichtig, um Abläufe kennenzulernen. Ob Unfall, ein Selbstmord, Tod durch Gewalt - was immer auch Schlimmes passiert, die Notfallseelsorger gehen für die Seele in den Einsatz und versuchen Betroffenen in einem Notfall zur Seite zu stehen. "Wir sind Ersthelfer für die Seele", beschreibt es Stenmans. Sie ist außerdem Mitglied des Kuratoriums Notfallseelsorge im Kreis Viersen.

Einfach für einen Menschen da zu sein, ihm zuzuhören, in den Arm zu nehmen und Trost zu spenden aber auch etwas Alltägliches zu machen, wie einen Kaffee zu kochen - all das macht die Arbeit eines Notfallseelsorgers aus. Nach einem festen Schema kann dabei nicht gearbeitet werden. Jeder Fall ist anders und verlangt von den Notfallseelsorgern viel Einfühlungsvermögen. Das ist keine einfache Aufgabe, sondern eine, die einiges fordert. "Wichtig ist, bei den Betroffenen mit Ruhe anzukommen und auf sie einzugehen. Für uns ist es nach einem Einsatz dann genauso wichtig, diesen innerlich wieder abzugeben", sagt Mertens. Nach einem Einsatz trinkt die 54-jährige so einen Kaffee, ohne mit jemanden zu kommunizieren und spricht das "Vater unser".

Jeder der ehrenamtlich tätigen Notfallseelsorger trägt sich in einen Halbjahresplan für 24-Stunden-Schichten ein. Dazu kommt die Arbeit als Hintergrundteam. Dabei stehen immer fünf Notfallseelsorger auf Abruf bereit. Pro Jahr sind es für jeden einzelnen im Durchschnitt zehn bis 15 Schichten, die er oder sie absolvieren.

Aktuell besteht das Team im Kreis Viersen aus 55 Menschen, wobei es neben den Ehrenamtlern auch noch hauptberufliche Notfallseelsorger gibt. Sie haben für ihre Einsätze eine spezielle Ausrüstung: Neben den obligatorischen Jacken und Westen gehört ein Notfallrucksack dazu. Dessen Inhalt reicht vom Teddybären über eine Sitzunterlage bis zu Traubenzucker.

Der diensthabende Notfallseelsorger wird im Falle eines Einsatzes über den Melder alarmiert und erfährt über die Leitstelle, wo sein Einsatzort im Kreis Viersen ist und was dort genau passiert ist. Die Notfallseelsorger selbst nehmen regelmäßig an Fortbildungen teil und treffen sich regelmäßig zu Supervisionen, um sich miteinander auszutauschen.

(RP)
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