Stadt Kempen Neue Stolpersteine für Kempen

Stadt Kempen · Die Orte, an denen in Kempen der Opfer des Nazi-Terrors gedacht wird, sind um drei Stellen gewachsen. In der Altstadt wurden gestern weitere elf Stolpersteine verlegt. Nachfahren der Opfer waren zur Gedenkfeier gekommen.

 Neun Steine für Mitglieder der jüdischen Familie Hirsch verlegte Gunter Demnig gestern Vormittag vor dem Kolpinghaus an der Peterstraße 23. Zwei weitere Steine platzierte er an der Ellenstraße 19 und am Haus Peterstraße 3.

Neun Steine für Mitglieder der jüdischen Familie Hirsch verlegte Gunter Demnig gestern Vormittag vor dem Kolpinghaus an der Peterstraße 23. Zwei weitere Steine platzierte er an der Ellenstraße 19 und am Haus Peterstraße 3.

Foto: Kaiser

Um die Verlegung von sogenannten Stolpersteinen wurde in Kempen in den vergangenen Jahren heftig debattiert. Erst der 2013 gegründeten Initiative "Stolpersteine in Kempen" war es gelungen, dass sich im Kempener Stadtrat eine Mehrheit für das Projekt fand, mit den von dem Kölner Künstler Gunter Demnig gestalteten Messingplaketten auf Pflastersteinen eine weitere Form des Erinnerns an die Opfer der nationalsozialistschen Schreckensherrschaft, die einstmals in Kempen gelebt haben, zu ermöglichen. Gestern Vormittag wurden in der Kempener Altstadt elf weitere Steine verlegt.

Ähnlich wie am 15. Dezember vergangenen Jahres, als auf der Engerstraße und der Von-Loe-Straße die ersten acht Messingplatten in das Pflaster eingelassen worden waren, verlegte Gunter Demnig gestern unter großer Beteiligung von Kempener Bürgern die nächsten Erinnerungssteine. Wie bei der Premiere im vorigen Jahr hatten Schüler der weiterführenden Schulen und des Berufskollegs Texte zu den jeweiligen Opfern des Nazi-Regimes vorbereitet, an die nun besonders erinnert werden soll. Die Gedenkfeier fand erstmals zweisprachig statt, weil Nachfahren der ehemaligen Kempener Bürger aus Neuseeland, Israel und England in die Thomasstadt gekommen waren. Sie wurden von der Sprecherin der Stolperstein-Initiative, Ute Gremmel-Geuchen, besonders begrüßt.

Am Mittwochnachmittag waren die Angehörigen der Familie Hirsch, für deren Vorfahren gestern am Kolpinghaus auf der Peterstraße allein neun Steine verlegt wurden, im Rokokosaal des Kramer-Museums von Bürgermeister Volker Rübo begrüßt worden. Rübo erinnerte daran, dass es die Kempener Familie Renkes war, die damals ihren jüdischen Nachbarn, der Familie Hirsch, zur Seite stand. Bis heute halten Nachfahren beider Familien Kontakt. An die Angehörigen der Familie Hirsch gerichtet sagte Rübo: "Ihre Familie ist in Kempen nicht vergessen." Und weiter: "Wir können das, was Ihrer Familie angetan worden ist, nicht wieder gut machen. Wir können aber immer wieder an die Mitglieder Ihrer Familie erinnern." Dieses Erinnern ist seit gestern am Kolpinghaus, dort Stand das Haus der Metzgerfamilie Hirsch, möglich.

Am Mittwochabend hatte Künstler Gunter Demnig im Gespräch mit Prof. Klaus-Peter Hufer in der Aula des Kempener Gymnasiums Thomaeum über seine Projektarbeit berichtet. Seit fast 20 Jahren verlegt Demnig Stolpersteine, fast 60.000 Stück hat er im Laufe der Zeit in Deutschland und 20 weiteren Ländern in Europa platziert.

Beeindruckend war gestern Vormittag vor allem die Zeremonie am Kolpinghaus - nicht nur weil dort die meisten Steine verlegt wurden. Nein auch deshalb, weil dort erstmals eine große Anzahl von Nachfahren anwesend war. Um sie besser einbeziehen zu können, trugen die Schüler ihre Texte zweisprachig - auf deutsch und englisch vor, wie überhaupt alle Ansprachen - auch die am Mittwoch - ins Englische übersetzt wurden. Zum Abschluss sprach der evangelische Pfarrer Roland Kühne, der sich am Berufskolleg mit Schülern intensiv auf die Stolpersteine-Verlegung vorbereitet hatte. Gestern Nachmittag gab es für die Angehörigen der Familie Hirsch einen besonderen Stadtrundgang. Der Kempener Historiker Dr. Hans Kaiser - er engagiert sich seit Jahren auch für die Aufarbeitung der Schicksale ehemaliger Kempener Bürger, die Opfer des Naziterrors geworden waren, - führte sie "auf den Spuren jüdischer Schicksale" durch die Altstadt und über den jüdischen Friedhof.

Bürgermeister Rübo war in seiner Begrüßungsansprache im Rokokosaal bereits auf die Tradition des Erinnerns in Kempen eingegangen. Die ist vielfältig - durch Tafeln an Häusern ehemaliger Kempener Bürger, die Opfer des Nazi-Terrors wurden, durch Veranstaltungen zum Holocaust-Gedenktag (27. Januar) an der Stele am Rathaus auf dem Buttermarkt oder zur Reichspogromnacht (9. November) am Mahnmal an der Umstraße, wo einst die jüdische Synagoge stand.

Was bleibt nach der eindrucksvollen zweiten Stolperstein-Verlegung für Kempen und die Kempener? Es ist auch der Wunsch, dass sich bei den anderen Gedenkveranstaltungen künftig genauso viele junge Menschen beteiligen mögen, wie gestern bei der Verlegung der elf Stolpersteine. Denn bei den anderen Gedenkfeiern ist die Resonanz bei Jugendlichen deutlich geringer.

Übrigens: Es wird in den kommenden Jahren weitere Stolpersteine für Kempen geben. Etwa 50 Gedenkplatten könnte es geben, wenn die Initiative genug Sponsoren dafür findet.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort