Stadt Kempen Muslime begrüßen Katholiken-Initiative

Stadt Kempen · Auch in der kleinen Kempener Gemeinde der Muslime bereiten die Pegida-Kundgebungen große Sorgen. Umso mehr begrüßen sie die Initiative des Katholikenrats für ein "Bündnis für gelebte Demokratie". Dem wollen sie sich anschließen.

 Ilhan Avci (Vorsitzender der muslimischen Gemeinde - links) und Imam Mehmet Ceviz gestern nach dem Freitagsgebet im kleinen Gebetshaus.

Ilhan Avci (Vorsitzender der muslimischen Gemeinde - links) und Imam Mehmet Ceviz gestern nach dem Freitagsgebet im kleinen Gebetshaus.

Foto: Kaiser

Auch gestern trafen sich Muslime der Kempener Ditib-Gemeinde mit ihrem Imam Mehmed Ceviz zum Mittagsgebet in ihrem kleinen Gebetshaus. Schon in der Woche zuvor war man dort nach den Anschlägen in Paris auch mit einigen Jugendlichen zusammen gekommen. "Die Stimmung ist bei uns immer noch sehr bedrückend, über die Morde aber auch über das Misstrauen, das bei den Kundgebungen in Deutschland zum Ausdruck kommt ", sagte gestern Ilhan Avci, Vorsteher der kleinen Gemeinde mit etwa 50 Mitgliedern.

Ditib steht für Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion. "Wir sind ein kleiner Bruder der Viersener Gemeinschaft und haben uns sehr gefreut, dass auch viele Menschen auf die Straße gegangen sind und sich mit uns solidarisiert haben", ergänzt Avci. Der 49 Jahre alte Gärtnermeister, der mit seiner Familie seit 1977 in Deutschland lebt und die vielen Gegen-Demonstrationen als "für uns sehr ermutigend" bezeichnet, zeigt sich auch von den Reaktionen der christlichen Kirchen beeindruckt.

Avci lobt die Absicht des Katholikenrats Kempen-Viersen, Ende Januar unter anderem mit dem Moscheeverein Viersen ein Netzwerk und Bündnis für gelebte Demokratie und mehr Toleranz aufzubauen (die RP berichtete gestern). "Natürlich machen wir da auch mit", sagte Avci und er kommentiert weiter: "Wir wollen dabei zeigen, dass der Terror mit unserem gelebten Islam nichts zu tun hat, aber auch rein gar nichts, und dass wir Muslime friedvolle Menschen und stolz sind, am Niederrhein zu Hause zu sein". Als sehr schmerzhaft bezeichnet es der 49-Jährige, dass sich bei den Pediga-Kundgebungen viele Menschen aus vielerlei Gründen mit wenig Hintergrundwissen instrumentalisieren ließen. Islamfeindliche Attacken und Übergriffe im direkten Umfeld der muslimischen Kempener Gemeinde hat Ilhan Avci bislang nicht festgestellt. Man sei aber dennoch besorgt.

Bedrückend finden es auch in Willich lebende Muslime, dass der Rechtsextremismus in Deutschland in bestimmten Regionen einen offenbar immer größeren Nährboden fände. Und dass es unter dem Decknamen des Islam Fanatiker gibt, die diese Religion für ihre menschenverachtenden Zwecke missbrauchen. Viele leben seit Generationen hier, wollen dies auch in Zukunft tun. Die meisten glauben und hoffen, dass wegen der vielen Proteste die Pegida-Kundgebungen nicht von Dauer seien. So auch der ehrenamtliche Imam der muslimischen Willicher Gemeinschaft, Ahmet Tasci (46). Dieser bezeichnet die ausländer- und islamfeindlichen Parolen bei den Demonstrationen als völlig unangemessen und überzogen und ergänzt: "Wir sind eine friedliche Religion und sind erschrocken, dass es Menschen gibt, die unter dem Namen des Islams ein Schreckensszenario aufbauen und Schrecken verbreiten."

Mit dem Rechtsextremismus beschäftigt sich seit langer Zeit der Kempener Wissenschaftler Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer. Bei Pediga würden sich die Menschen, so der 65-Jährige, aus verschiedenen Motiven beteiligen, wie unter anderem persönliche Abstiegsängste, Perspektivlosigkeit oder Wut gegenüber staatlichen Organisationen. Fatal sei, so Hufer weiter, dass dabei rechtsextreme Ideologien vertreten und verbreitet würden - in einer Zeit, in der viele Menschen weltweit auf der Flucht seien.

Der Kempener - lange Jahre Fachbereichsleiter bei der Kreisvolkshochschule, hat den Wunsch, dass nicht zuletzt durch die vielen Gegen-Demonstrationen unterstrichen werde, dass Deutschland ein Land mit einer liberalen demokratischen Kultur sei. Hufer hofft, dass sich daraus auch ein größeres Verständnis und ein stärkeres Gefühl für die Menschen entwickelt, die nach Deutschland kommen und hier Asyl beantragen.

(wsc)
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