Der fünfte Evangelist Musikalische Andacht mit Bach in der Kempener Propsteikirche

Kempen · Pfarrer Wolfgang Acht und Konzertorganist Samuel Kummer spürten dem Ausspruch Albert Schweitzers nach, Johann Sebastian Bach sei „der fünfte Evangelist“.

 Konzertorganist Samuel Kummer erwies sich als brillant gestaltender Interpret an der Albiez-Orgel der Propsteikirche.

Konzertorganist Samuel Kummer erwies sich als brillant gestaltender Interpret an der Albiez-Orgel der Propsteikirche.

Foto: Norbert Prümen

(oeh) Es ist eine besondere Auszeichnung, den Thomaskantor Johann Sebastian Bach als „fünften Evangelisten“ zu bezeichnen. Doch Albert Schweitzer hatte Recht, denn Bachs Kompositionen erreichen sowohl den gläubigen als auch den dem Glauben fernstehenden Menschen und bringen ihm die wesentlichen Dinge des Lebens nahe. In einer sehr gut besuchten musikalischen Andacht vertieften Rezitator Wolfgang Acht und Konzertorganist Samuel Kummer, Verantwortlicher für alle musikalischen Aktivitäten an der Dresdner Frauenkirche, als erstklassiger, brillant gestaltender Interpret an der Albiez-Orgel diese Erkenntnis.

Ein Jesaja-Text, der eigentlich am Karfreitag gelesen wird und Jesu Leiden zum Inhalt hat („Er trug unsere Krankheit und litt unsere Schmerzen“) fand seine logische Entsprechung in der ungeheuren Dramatik der Fantasie g-Moll BWV 542. Die darauf folgende, fast heitere Fuge, die der Komponist einige Jahre vor der Fantasie schrieb und nicht mit dieser verbunden wissen wollte, passte – trotz temporeicher und lupenreiner Wiedergabe – nicht so recht in das vorgegebene Konzept.

Einem fesselnd rezitierten „Klagelied“, das wider allen Elends Gottes Erbarmen verheißt, entsprach die Triosonate Nr. 6, G-Dur, BWV 530, in deren Mittelsatz eindeutige Anklänge an die Alt-Arie aus der Matthäuspassion „Erbarme Dich“ nicht zu überhören sind.

Der Partita mit elf Variationen über das bekannte Fastenlied „Sei gegrüßet Jesu gütig“ BWV 768 liegt vermutlich ein anderer Text zugrunde – der des Abendmahlsliedes „O Jesu, Du edle Gabe“, das in teils recht drastischen Worten von Jesu Blut spricht, „das der Hölle Glut auslöscht“ und den Menschen schließlich zur ewigen Seligkeit gelangen lässt. Sehr markant las Pfarrer Acht die jeweils zu den Variationen gehörenden Strophen – so war der kindliche und gottergebene Glaube der Menschen im 17. Jahrhundert gut nachzuvollziehen.

Der Musikwissenschaftler Wolfgang Wiemer hat einen Zusammenhang zwischen dem abschließenden – unvollendeten – Contrapunctus des letzten Werks Bachs, der „Kunst der Fuge“ BWV 1080, und der Offenbarung des Johannes hergeleitet – er spricht hier von einer „außermusikalischen, auf christliche Glaubensinhalte ausgerichteten Kehrseite“. So war es nur folgerichtig, dass die letzte Lesung ein Teil der Offenbarung war und anschließend Samuel Kummer mit der „Fuga à 3 (4) Soggetti“ in einer von ihm selbst vollendeten Fassung die Andacht festlich beschloss.

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