Stolpersteine für Kempen Mit Autoabgasen brutal ermordet

Kempen · Wilhelmine Mendel wurde 1941 nach Riga deportiert, war zu schwach und wurde getötet. In Kempen hatte sie an der Hindenburgstraße gelebt. Das Finanzamt verkaufte ihr Haus.

 Der Gedenkstein für die Geschwister Mendel findet sich auf dem Kempener Judenfriedhof.

Der Gedenkstein für die Geschwister Mendel findet sich auf dem Kempener Judenfriedhof.

Foto: hk

Wilhelmine (Minchen) Mendel wurde 1891 als Tochter des Viehhändlers Alex Mendel und seiner Frau Lisetta (Setta) Lambertz geboren. 1913 starb ihre Mutter, 1927 der Vater, dem sie den Haushalt geführt hatte. Minchen blieb unverheiratet. Sie litt an hochgradiger Neurasthenie, einem Erschöpfungssyndrom, möglicherweise hervorgerufen durch die Pflege des kranken Vaters. Sie wohnte weiterhin in ihrem Elternhaus St. Hubert, Hauptstraße 39.

1933 kommen die Nazis an die Macht. Im August 1935 zieht Minchens jüngerer Bruder Siegfried zu ihr; er hat bisher in Aldekerk für die Fleischwarenfabrik Kleinbongartz gearbeitet, ist dort, weil er Jude war, entlassen worden.

Damit er im Oktober 1938 emigrieren kann, leiht die Schwester ihm ihr Erspartes: 3000 Mark. Siegfried ist dann in Frankreich verhaftet worden und in Auschwitz umgekommen. Von ihm wird in einer späteren Folge die Rede sein. Am 10. November 1938, in der so genanten "Kristallnacht", zerstören Kempener SA-Männer unter Anführung des Polizeihauptwachtmeisters Ludwig Oberdieck die Einrichtung in Wilhelmines Elternhaus; vom Hausrat ist nichts mehr zu verwenden. Um leben zu können, veräußert die gebrechliche Frau Teile ihres ererbten Grundbesitzes.

Wenig später setzt die systematische Arisierung ein, um die Juden aus ihren Häusern zu vertreiben. Der damalige NS-Ortsbauernführer von St. Hubert, Heinrich Fonken, will Minchens Haus und ihre Ländereien zur Gründung einer Familie und zur Anlage einer Obstplantage erwerben. Er nutzt seine persönlichen Beziehungen und kauft das Anwesen mithilfe des Kreisbauernführers Philipp Pleines für 15.000 Reichsmark; andere Interessenten haben vorher 20.000 Reichsmark geboten. Aber dann wird der Vertrag für ungültig erklärt, weil die der Regierung nahe stehende Siedlungsgesellschaft "Das Rheinische Heim" den gesamten Grundbesitz für 8790 Reichsmark erwirbt. Ein Spottpreis.

 Wilhelmine Mendel wurde von den Nazis ermordet.

Wilhelmine Mendel wurde von den Nazis ermordet.

Foto: hk

Diese Siedlungsgesellschaft, die damals die kranke Wilhelmine Mendel auf die Straße setzte, ist eine Vorläufergesellschaft der heutigen Landesentwicklungsgesellschaft NRW. In der ganzen Rheinprovinz hat sie an der Enteignung des jüdischen Grundbesitzes mitgewirkt. In einer 1967 erschienenen Broschüre wird sie sich als Opfer des nationalsozialistischen Systems darstellen.

Von den Aufregungen schwer mitgenommen, sucht Wilhelmine Mendel das Kempener Krankenhaus auf. Ihre Krankenversicherung verweigert der "Nichtarierin" eine Kostenübernahme, trotzdem nimmt das Hospital zum Heiligen Geist sie kostenlos zur Behandlung auf. Später findet Wilhelmine Unterschlupf beim Landwirt Matthias Hormes, Schauteshütte 13.

Am 11. Dezember 1941 wird Minchen Mendel mit anderen Kempener Juden nach Riga deportiert. Weil sie, schwer krank, nicht arbeiten kann, ist sie eine der ersten, die man dort auf der luftdicht abgeschlossenen Ladefläche eines Lkw mithilfe von Autoabgasen ermordet. Ihr Haus Hindenburgstraße 39 wird wie die anderen Häuser der Deportierten seit dem 27. Januar 1942 vom Kempener Finanzamt verwaltet und vermietet. Am 15. Juni 1942 wird das Gebäude an den Installateur Gustav Becker, St. Hubert, verkauft.

In einer Feierstunde, bei der der Krefelder Rabbiner Ytzchak Mendel Wagner sprach und die Dr. Herbert Holtemeyer mit seinem Saxophon-Spiel würdig umrahmte, setzte am 16. April 2013 auf dem Kempener Judenfriedhof eine Nichte Wilhelmine Mendels, Ruth Baum aus Krefeld, ihr und ihrem Bruder Siegfried Mendel einen Gedenkstein. Indes ist der Judenfriedhof ein abgeschlossenes Areal, das aus gutem Grund nur von ausgewählten Gruppen besucht werden kann. Minchen und Siegfried Mendel sollten ein Mahnmal vor aller Augen erhalten.

Nachdem der Stadtrat einen ersten Antrag auf Verlegung von Stolpersteinen abgelehnt hatte, haben jetzt Kempener Schulen, die evangelische Kirchengemeinde und eine Initiative die Verlegung der Gedächtniszeichen in der Stadt Kempen erneut beantragt. Die RP erinnert an einige der NS-Opfer, deren Andenken sie dienen würden.

(hk)
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