Grefrath Mircos Eltern schreiben Buch

Grefrath · Fast zwei Jahre nach dem Mord an dem zehnjährigen Mirco aus Grefrath haben seine Eltern das Verbrechen an ihrem Sohn in einem Buch aufgearbeitet. Auf 200 Seiten erzählen sie, wie sie mit dem Unfassbaren fertig werden.

Chronologie: Der Fall Mirco
45 Bilder

Chronologie: Der Fall Mirco

45 Bilder
Foto: Günter Jungmann

In den ersten Tagen nach Mircos Verschwinden am 3. September 2010 stand immer ein frisch gebackener Kuchen auf dem Tisch. Die Eltern des Zehnjährigen wollten, dass etwas Gebackenes da ist, wenn ihr Sohn wieder nach Hause kommt. Das war ihnen sehr wichtig. Und der Glaube an Gott.

Einen Monat lang beteten sie jeden Abend mit Freunden in ihrem Haus für das Leben ihres Sohnes, stellten Kerzen auf. Irgendwann folgten dann Gebetsabende, montags und mittwochs. "Die M-Tage, M für Mirco", sagte Mircos Mutter einige Monate nach dem Verschwinden ihres Sohnes. Am 26. Januar 2011 war es dann traurige Gewissheit: Die Familie erfuhr, dass Mirco getötet und sein Mörder gefasst wurde. Sie nahmen die Nachricht über den Tod ihres Sohnes erleichtert und ohne Wut auf — der Glaube half ihnen dabei.

Ihre Erinnerungen an diese Zeit haben Mircos Eltern, Sandra und Rheinhard Schlitter, in einem Buch aufgeschrieben, das fast auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Verschwinden ihres Sohnes am 6. September im christlichen adeo-Verlag erscheinen wird. In "Mirco — Verlieren. Verzweifeln. Verzeihen" schildern die Eltern auf 200 Seiten, wie sie mit dem Verlust ihres Kindes fertig werden.

Geschrieben haben sie das Buch gemeinsam mit dem Journalisten Christoph Fasel, der auch schon den Bestseller "Zwei Leben" mit dem seit seinem Unfall bei "Wetten, dass..?" gelähmten Samuel Koch verfasst hat. Der "Bild" sagte Fasel, dass er Mircos Eltern im vergangenen Dezember das erste Mal besucht habe — es folgten vier weitere Treffen und nächtliche Sitzungen über eine Kommunikationsplattform im Internet. Ein halbes Jahr arbeitete der Autor mit Mircos Eltern an dem Werk, das im wesentlichen Teil aus der Ich-Perspektive der Eltern erzählt wird. Der "Bild" sagte das Ehepaar: "Mit unserem Buch möchten wir zeigen, was uns geholfen hat, die Spirale von Hass und Verzweiflung verlassen zu können. Und wie man ein Leben führen kann, das trotz allem Zuversicht, Menschenliebe und Glauben vereint."

Ihr Sohn verschwand gegen 22 Uhr auf dem Nachhauseweg mit seinem Fahrrad. Die Polizei suchte in einer der größten Fahndungsaktionen der deutschen Geschichte nach dem Jungen. Wochenlang durchkämmten Hundertschaften der Polizei die Gegend um Grefrath. Knapp fünf Monate später fasste die Polizei den Mörder — ein 45-jähriger Manager, der Mirco entführt, missbraucht und erdrosselt hatte. Er führte die Ermittler zur Leiche des Jungen, die er in einem Feld abgelegt hatte. Das Landgericht Krefeld verurteilte den Schwalmtaler zu lebenslanger Haft und stellte die besondere Schwere der Schuld fest.

Die Ermittlungen in dem Fall führte Ingo Thiel, der selbst ein noch nicht veröffentlichtes Buch (Ullstein-Verlag) über das Verbrechen an dem Zehnjährigen geschrieben hat. Eigentlich sollte "Soko im Einsatz — der Fall Mirco und weitere brisante Kriminalgeschichten" ebenfalls im September erscheinen. Doch der Termin wurde jetzt um sechs Wochen nach hinten verlegt. Nun soll es am 9. November in die Buchläden kommen.

In ihrem Buch werden Mircos Eltern wahrscheinlich auch von ihrer erste Begegnung mit dem Mörder ihres Sohnes erzählen. Es war im Juli vergangenen Jahres, als sie Olaf H. vor dem Krefelder Schwurgericht gegenübersaßen. Die Mutter sagte als Zeugin aus. Für sie sei es ein belastender Tag gewesen, sagte ihre Anwältin damals. Sie hätte die Situation aber gut gemeistert. Wie es jedoch innen drin aussehe, wüsste sie nicht, sagte die Juristin.

Mircos Eltern sind bis heute fest im Glauben verankert. Sie gehören einem in Krefeld ansässigen Verbund Freikirchlicher Pfingstgemeinden an. Im "Geistbewegt", einem Informationsdienst der Gemeinde, nannten sie den Mörder ihres Sohnes einmal "einen belasteten Menschen, der nicht wusste, wohin mit seiner Last". Ihre eigene Last haben Mircos Eltern nun in einem Buch verarbeitet.

(RP/jco)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort