Kempen Intensivmedizin: So sind die Abläufe

Kempen · Das Kempener Hospital zum Heiligen Geist hat auf seiner Intensivstation mit acht Betten zurzeit keinen Corona-Patienten. Für den Ernstfall ist man aber gerüstet: Da muss schließlich jeder Handgriff sitzen.

 Eine Intensivstation besteht aus hochwertiger und leistungsstarker Technik. Das Bild zeigt einen Überblick.

Eine Intensivstation besteht aus hochwertiger und leistungsstarker Technik. Das Bild zeigt einen Überblick.

Foto: ja/heiner deckers

Wie läuft eigentlich die Behandlung auf einer Intensivstation ab? In Zeiten von Corona stellt sich mancher diese und ähnliche Fragen. Das Kempener Hospital zum Heiligen Geist gab am Dienstag Einblicke in einen Bereich, in dem im Ernstfall jeder Handgriff sitzen muss. Acht Betten hat die Intensivstation der Klinik, ein Corona-Infizierter wird dort zurzeit nicht behandelt.

Auf den Virus und seine Bedrohungen ist das Krankenhaus eingestellt und vorbereitet. „Die intensivmedizinische Behandlung fängt bereits im ambulanten Bereich an“, sagt Elisabeth Golla, Leiterin der Intensivstation. Bereits die Hausärzte lassen sich die Symptome ihrer Patienten aufzeigen. Wie ist der Blutdruck, wie sind die Atemfrequenz und der mentale Zustand? Sofort hellhörig werden Ärzte und Rettungsdienst, wenn nahe Verwandte von dezenten Änderungen des Patienten sprechen. Stellt sich heraus, dass auch die Sättigung nicht stimmt, wird der Patient sofort zum Risikopatienten.

Das Krankenhaus wird schnell informiert, der Rettungswagen und der Patient werden bereits vor dem Haus von einem Arzt empfangen. Der entscheidet in einer ersten Einschätzung, ob der Patient auf die Isolierstation oder sofort auf die Intensivstation kommt. Es wird außerdem routinemäßig ein Abstrich auf Influenza gemacht, um diagnostisch unbedingt auf der sicheren Seite zu sein. Bei Infizierten, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen, liegt die Sterblichkeitsquote bei etwa 50 Prozent. Wohlgemerkt: nur bei Intensivpatienten, nicht bei der Gesamtzahl der durch Corona Erkrankten – die liegt im ganz kleinen einstelligen Bereich.

Isolation und Schutzkleidung seien etwas Alltägliches für das Hospital, sagt Geschäftsführer Thomas Passers, „nur jetzt eben für jeden Patienten“. Eine Isolationsstation habe das Kempener Krankenhaus in normalen Zeiten nicht, das sei aufgrund der niedrigen Fallzahlen nicht notwendig.

 Elisabeth Golla präsentiert ein Bett, in dem im Fall des Falles ein Patient liegt, der intensiv behandelt werden muss.

Elisabeth Golla präsentiert ein Bett, in dem im Fall des Falles ein Patient liegt, der intensiv behandelt werden muss.

Foto: ja/Heiner Deckers

Schon lange bevor die Fallzahlen alarmierend stiegen, wurde Golla hellhörig. Sie hat an der Universität Düsseldorf studiert und kennt einige Ärzte, die Kontakt nach China haben, sogar nach Wuhan. Alle betroffenen Ärzte am Hospital zum Heiligen haben seitdem viel gelesen, es gab sogar spezielle Beatmungsschulungen. Auch die Lagerung spielt eine große Rolle, um es den Patienten leichter zu machen.

„Wir hatten bei einem am Anfang unbekannten Virus noch nie so einen schnellen Wissenszuwachs“, sagt die Ärztin. „Wir bekommen jeden Tag neue Informationen und hatten zudem mehr Zeit als Italien und Frankreich, um uns auf die Bedrohung vorzubereiten.“ Außerdem habe Nordrhein-Westfalen eine hohe Dichte an Universitätskliniken und damit das Glück, über zahlreiche Experten zu verfügen. Viele dieser Experte, so auch Elisabeth Golla, bleiben nicht an der Uni, sondern sorgen dafür, dass Hochleistungsmedizin auch in peripheren Gebieten verfügbar ist.

Bei Corona und anderen Erkrankungen reicht die Palette von Symptomen bis hin zur Eskalation. Für den letzten Fall stehen in Kempen acht Zimmer zur Verfügung, alle komplett eingerichtet, inklusive Beatmungsgeräten. In den vergangenen Wochen wurden die Szenarien immer wieder simuliert, im Ernstfall muss jeder Handgriff sitzen. „Wenn es hart auf hart kommt, muss jeder machen, was er kann“, sagt Golla. Wer keine Erfahrung in der Intensivmedizin hat, kann beispielsweise Botengänge erledigen, etwa zum Labor. „Wir haben selber gemerkt, dass wir bei jeder Übung entspannter geworden sind.“

Alle Mitarbeiter des Hospitals haben die Pflicht, einen Selbstbeobachtungsbogen zu führen und zusätzlich jeden Tag Fieber zu messen. Ist der Vorrat an Schutzkleidung und Atemmasken ausreichend? „Die Mittel sind knapp, aber wir kommen aus“, sagt Geschäftsführer Passers, „Ich hätte es mir nie träumen lassen, dass wir alles unter Verschluss halten müssen.“

Wie kann man im Alltag dazu beitragen, dem Virus zu trotzen? Die Maßnahmen, die bisher ergriffen worden seien, hätten Früchte getragen, meint Golla. Ganz wichtig sei die Desinfektion der Hände (auch in Nicht-Corona-Zeiten). Man solle auch tunlichst darauf achten, sich nicht ständig ins Gesicht zu packen und möglichst nicht in größeren Gruppen unterwegs zu sein.

Bei vielen älteren Menschen grassiert die Angst, sie würden im Krankheitsfall keine anständige Therapie zu bekommen. „Alter ist nicht das erste Kriterium“, betont die Intensivmedizinerin, „zunächst zählen andere Parameter“. Eine Hoffnung eint alle, Patienten ebenso wie Ärzte – und zwar die, bei einem weiteren Ereignis dieser Tragweite noch effizienter reagieren zu können.

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