Stadt Kempen Klavierkonzert mit einer fesselnden Eindringlichkeit

Stadt Kempen · Die französische Pianistin Lise de la Salle spielte in Kempen Werke von Busoni, Robert Schumann und Johannes Brahms.

Wenn bei einem Klavierabend die Komponisten Johann Sebastian Bach, Robert Schumann und Johannes Brahms avisiert sind, kann der Besucher normalerweise davon ausgehen, dass ihn relativ bekannte Werke erwarten. Nicht so beim Gastspiel von Lise de la Salle in der sehr gut besetzten Paterskirche. Statt der angekündigten beliebten "Kinderszenen" von Robert Schumann, die sicher Viele gerne gehört hätten, begann die 27-jährige Französin ihr Programm mit der Chaconne aus der Partita Nr.2 für Violine solo d-Moll BWV 1004 von Johann Sebastian Bach in der Bearbeitung von Ferruccio Busoni (1866-1924). Wenn der Spätromantiker, der in erster Linie als Bearbeiter Bach'scher Werke bekannt ist, nicht ohne Verfremdungen auskommt, so war doch deutlich zu hören, wie sorgsam die sowohl technisch als auch stilistisch frappierend sichere Pianistin mit den kontrapunktischen Strukturen umzugehen weiß. Glasklar arbeitete sie die jeweils dominierenden Stimmen heraus, und wenn Fortissimo verlangt war, fehlte der am Conservatoire Supérieur de Musique de Paris Ausgebildeten (die dort bereits mit 13 Jahren ihren hoch dotierten Abschluss machte!) niemals die nötige Kraft. Sehr ernst und konzentriert wirkte die inzwischen weitgereiste Künstlerin, die erste Orchester und berühmte Dirigenten zu ihren Partnern zählt.

Ein wenig mehr Emotionen hätte sie zuweilen zulassen dürfen, beispielsweise bei der Fantasie C-Dur op.17 von Robert Schumann, dessen erster Teil immerhin mit "durchaus fantastisch und leidenschaftlich vorzutragen" überschrieben ist. Doch das sind Marginalien angesichts der spürbar intensiven Durchdringung, die Lise de la Salle dem dreiteiligen Opus, das Franz Liszt gewidmet ist, zuteil werden ließ. Mit fesselnder Eindringlichkeit und pianistischem Feinschliff gelang der dritte, weitgehend leise gehaltene Teil, der dann auch die weichere Seite der Interpretin durchscheinen ließ.

Nach Thema und Variationen d-Moll op.18b, die Johannes Brahms für Clara Schumann schrieb, setzte die Künstlerin mit den Variationen und der Fuge über ein Thema von Händel (B-Dur, op.24) das Hauptwerk des Abends an den Schluss ihres erlesenen Programms. Neben der f-Moll Sonate gelten diese Variationen als die bedeutendste Klavierkomposition des Wieners mit den norddeutschen Wurzeln. Brahms wählte als Thema eine fast mozartisch wirkende "Aria" aus Georg Friedrich Händels "Lecons", aber er folgte lediglich in der ersten der 25 Variationen dem Stil des Barockmeisters. Alle denkbaren Stilistiken, von einem komplizierten Oktaven-Kanon über rhythmisierten Orgelpunkt bis zu ungarischen Tanzrhythmen und der Brahmstypischen Wurftechnik in der letzten Variation, verlangten der Interpretin Äußerstes ab. Sie bestand alle Herausforderungen mit Bravour, wobei ihre brillante Technik und ihre interpretatorische Übersicht ihr offenbar innere Ruhe vermittelten. Bei der abschließenden Fuge schloss sich dann der Kreis, und die überlegte Darstellung der Themenköpfe war wieder wie eingangs bei Bach-Busoni zu erleben.

Mit einer Zugabe ließ sich die sichtlich erschöpfte Künstlerin Zeit - zeigte aber schließlich in einem Prélude von Claude Debussy dem begeisterten Auditorium, dass sie auch Impressionistisches gültig zu gestalten weiß.

(oehm)
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