Stadt Kempen KK steht für "Königreich Kempen"

Stadt Kempen · Kempens Stadtrat hat's beschlossen, auch Kreis-FDP und JU sind dafür: Das alte Autokennzeichen "KK", liebevoll übersetzt in "Königreich Kempen", soll wieder auf die Straße dürfen. Wofür stand das Kennzeichen eigentlich?

 1929 wurde aus dem vormaligen Kreis Kempen und Teilen der Kreise Geldern, Krefeld, Gladbach und Moers der Landkreis Kempen-Krefeld (KK) gebildet.

1929 wurde aus dem vormaligen Kreis Kempen und Teilen der Kreise Geldern, Krefeld, Gladbach und Moers der Landkreis Kempen-Krefeld (KK) gebildet.

Foto: kreisarchiv

Am 5. April 1816 ist Kempen Kreisstadt geworden. Im Landratsamt an der Hülser Straße sitzt als Repräsentant der Regierung, als Chef der Kreisverwaltung ein königlich-preußischer Landrat. Der leitet die Geschicke des Kreises Kempen, zu dem wiederum 14 Orte gehören: Dülken, Lobberich und Süchteln; Amern, Boisheim und Waldniel; ferner Grefrath und Oedt, St.Tönis und Vorst; Hüls, St. Hubert, Tönisberg und als Kreissitz Kempen. Westlicher Nachbar dieses Kreises Kempen ist der genau so alte Kreis Krefeld. Der umfasst hauptsächlich Gebiete, die heute zur Stadt Krefeld gehören wie Fischeln, Traar und Uerdingen und weitere Gemeinden am Rheinufer; aus dem Bereich des heutigen Kreises Viersen gehören ihm Anrath und Willich an. Viersen, Neersen und Schiefbahn liegen damals im Kreis Gladbach.

1928 zeichnet sich eine Neugliederung ab. Aus den alten Gebilden sollen neue, größere werden, fit für die Aufgaben der Zukunft. Von den sechs Kreisen am mittleren Niederrhein (Gladbach, Grevenbroich, Kempen, Krefeld, Moers, Neuss) sollen nur noch zwei übrig bleiben. Das Ergebnis dieser Reform ist völlig ungewiss. Wird der Kreis Kempen untergehen? Mit Sorge blickt Kempens Landrat Hartmann-Krey, blicken große Teile der Kreis Kempener Bevölkerung auf die greiflustigen Hände der benachbarten Großstädte Krefeld und Mönchengladbach. Ihre Forderung: Der Kreis Kempen soll fortbestehen, ja, er soll erweitert werden - denn die Entwicklung der Großstädte habe das gebotene Maß überschritten. Flugblätter geißeln den sittenverderbenden Einfluss des "Moloch Großstadt" - womit das Industriezentrum Krefeld gemeint ist. Und in Kempen gipfelt die Bedrängnis der Bürger in der Frage: "Bleiben wir Kreissitz?"

Die Frage wurde positiv beantwortet, der Verwaltungssitz blieb in Kempen. Aus dem erbitterten Kampf, der vor und hinter den politischen Kulissen geführt wurde, ging 1929 der Kreis Kempen als Sieger hervor; aufgrund welcher Beziehungen (auch zum preußischen Innenministerium in Berlin) und Aktionen, ist heute noch nicht ganz klar. Ein wesentlicher Impuls dürfte von der damals am Niederrhein dominierenden Zentrums-Partei gekommen sein, der Partei des politischen Katholizismus. Die neue Gliederung ließ nämlich im neuen Kreis Kempen die Zahl der Katholiken von 98 015 auf 128 864 steigen, was dem Zentrum satte Stimmengewinne versprach. Die Hintergründe des damaligen zähen Ringens zu klären, wäre eine reizvolle Aufgabe für einen Historiker. Er müsste vor allem das überraschende Faktum beleuchten, dass der Kreis Kempen nicht nur keine Gebiete abtrat, sondern sogar welche hinzugewann.

Denn die Landkreise Krefeld und Gladbach wurden 1929 aufgelöst. Unter Kempener Verwaltungshoheit kamen vom bisherigen Landkreis Krefeld die Gemeinden Anrath, Willich, Osterath, Lank, Latum, Ilverich, Ossum-Bösinghoven, Strümp, Nierst, Langst und Kierst. Die nächsten 46 Jahre trug dieser Gebietsverbund die Bezeichnung "Landkreis Kempen-Krefeld". Vom aufgelösten Kreis Gladbach erhielt er die Gemeinden Neersen und Schiefbahn, vom Kreis Moers den Schaephuysener Ortsteil der Bürgermeisterei Tönisberg und schließlich vom Kreis Geldern die Gemeinden Hinsbeck und Leuth. Damit ist die Zahl der Einwohner von 107.078 auf 136.827 gestiegen, und der Landkreis reicht vom Rhein im Osten bis zur niederländischen Grenze im Westen. Fürwahr, ein "Königreich Kempen."

Für den größer gewordenen Kreis reicht das Kempener Landratsamt an der Hülser Straße nicht mehr aus; zusätzlich belegt die Kreisverwaltung seit Oktober 1929 den größten Teil der Kempener Landesburg. Die baut der neue KK-Kreis für 40 000 Reichsmark zum hauptsächlichen Verwaltungsgebäude um. Und: Seit 1956 tragen die Kreisbewohner das Kürzel KK auf den Nummernschildern ihrer Autos.

Dann kommt eine zweite Kreisreform, und die gliedert den Landkreis zum 1. Januar 1970 neu. 32 Gemeinden unterschiedlicher Größe sind nun zu acht Großgebilden zusammengefasst. Die Stadt Kempen besteht neuerdings aus Alt-Kempen, Schmalbroich, St. Hubert, Tönisberg und Hüls. Zum Kreis Kempen hinzugekommen ist Viersen, vergrößert um Süchteln. Damit ist der Ort größer als Kempen, und ab dem 1. Januar 1975 heißt der Kreis nicht mehr Kempen-Krefeld, sondern Viersen. Am 31. Dezember 1974 wird das letzte KK-Kennzeichen ausgegeben. Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende: Mithilfe der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag schaffen es die Viersener, dass Hüls nach Krefeld kommt und - da Kempen nun die für einen Kreissitz erforderliche Größe nicht mehr besitzt - der Kreissitz nach Viersen.

Fazit: Mit der Stadt Kempen hat das Nostalgieschild KK weniger zu tun. Es stand für einen ganzen Landkreis, zu dem 32 Gemeinden gehörten. Ob das für einen Kempener Lokalpatrioten so wichtig ist? Ausschlaggebend ist wohl die Erinnerung an eine Zeit, da Kempen noch Hauptstadt eines Königreichs war. Erforderlich dafür ist das Votum des Viersener Kreistags.

(hk-)
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