Fakten & Hintergrund Stickstoff fördert das Wachstum

Die Landwirtschaft Bürgern näher zu bringen, das liegt den Landwirten am Herzen. Unsere Zeitung startet eine neue Serie mit vier Kempener Landwirten. Dabei werden verschiedene Themen in den Fokus genommen. Los geht es mit dem Thema Düngung.

 Die Kempener Landwirte Carolin Schleupen, Stefan Küppers und Heinz-Wilhelm Tölkes (v.l.n.r.) prüfen die Beschaffenheit des Ackerbodens.

Die Kempener Landwirte Carolin Schleupen, Stefan Küppers und Heinz-Wilhelm Tölkes (v.l.n.r.) prüfen die Beschaffenheit des Ackerbodens.

Foto: Wolfgang Kaiser

„Im Märzen der Bauer sein Rösslein anspannt“, heißt es in dem bekannten Kinderlied. Pferde werden in der Landwirtschaft zwar kaum noch eingesetzt, aber die ersten Schlepper sind schon auf den Feldern im Einsatz – auch solche, die mit entsprechenden Anhängern Dünger auf die Flächen aufbringen. Ein natürliches Düngemittel, das zum Einsatz kommt, ist nach wie vor Gülle. Und dieser Stoff sorgt oftmals für Unmut unter den Bürgern. Kritiker sehen in Gülle auf den Feldern den Hauptverursacher für eine zu hohe Nitratbelastung des Grundwassers – auch am Niederrhein und speziell im Kreis Viersen.

Landwirte kennen die Pauschalvorurteile nur zu gut und wollen aufklären: Bevor der erste Güllewagen aufs Feld fährt, liegen Wochen intensiver Arbeit hinter den Bauern. Die Vorbereitungen fürs Frühjahr fangen schon im November an. „Zu diesem Zeitpunkt ziehen wir die ersten Bodenproben von den Flächen“, sagt der Kempener Landwirt Heinz-Wilhelm Tölkes. Diese gehen zur Landwirtschaftskammer Rheinland, die über eine eigene Abteilung für Bodenuntersuchungen verfügt. Die Proben sind alle vier Jahre vorgeschrieben, sie werden aber in der Regel alle ein bis zwei Jahre durch die Landwirte selbst genommen. „Der Boden ist unser Kapital. Der Boden muss absolut in Ordnung sein. Man kann eine Ackerfläche auch kaputt machen, aber das will wirklich keiner“, betont Stefan Küppers, ebenfalls Landwirt in Kempen.

Pro Hektar Fläche werden durchschnittlich zehn Bodenproben an verschiedenen Stellen des Areals entnommen. Mit einem speziellen Gerät wird Erde bis in eine Tiefe von 30 Zentimeter herausgeholt, denn bis dahin wird der Boden von den Landwirten beackert. „Das ist unser A-Horizont, die Ackerkrume. In die Tiefen vom B-Horizont stoßen wir nicht“, erklärt die Kempener Landwirtin Carolin Schleupen. Für jede der untersuchten Flächen erhalten die Landwirte aufwendige Ergebnisunterlagen. Untersucht wird unter anderem auf Phosphor, Kalium und Magnesium. Dazu wird der PH-Wert bestimmt. Die Bodenwerte der einzelnen Parameter sind in eine Bewertungsskala von A bis F aufgeteilt. A entspricht Null und F einer zu hohen Menge. „Jeder Landwirt möchte zwischen C und D liegen. Bei C brauchen wir keine Vorratsdüngung durchzuführen, sondern geben dem Boden nur, was die Pflanze entziehen wird“, informiert Alexander Bongartz.

Mit Hilfe dieser Werte errechnen die Landwirte, was der Boden für die geplanten Anbaufrüchte braucht. „Wir düngen den Boden nicht einfach so, sondern schauen, was wir auf einer Fläche anbauen wollen. Jede Kultur hat einen anderen Bedarf. Wir wissen, welche Nährstoffe sie dem Boden entzieht, und was sie für ein vernünftiges Wachstum braucht“, erklärt Tölkes.

Es gibt eine Düngeverordnung, in der die Bedarfsberechnungen gesetzlich vorgeschrieben sind. Zudem gibt es Düngeempfehlungen der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt, kurz Lufa genannt, anhand derer die Landwirte arbeiten. Es ist ein komplexes Werk, das komplett dokumentiert wird. Jede einzelne Fläche ist mit ihrer Kultur, dem Anbau und dem zu erzielenden Ertrag aufgeführt. Bei den Landwirten stehen deshalb viele Aktenordner mit den gesamten Daten in den Büros. „Die Daten müssen vorliegen. Wir werden regelmäßig kontrolliert“, sagt Carolin Schleupen.

Einfach so Gülle auszufahren, ist im Frühjahr nicht möglich. Die Gülle wird zuvor von der Lufa untersucht. Dazu werden von der Lufa vorgeschriebene Ein-Liter-Gefäße mit dem Stoff gefüllt und per Kurier zur Lufa gebracht. Die Proben müssen nicht nur schnell, sondern auch dunkel und kühl transportiert werden, weil sonst weitere chemische Prozesse ablaufen. Bei der Lufa wird unter anderem untersucht, wie viel Stickstoff, Phosphor und Kali in der Probe enthalten sind. „Dadurch erfahren wir, ob die Gülle als Dünger reicht oder wir zusätzlich mineralisch düngen müssen. Der Ertrag wächst nicht automatisch mit einer erhöhten Menge an Düngemitteln “, sagt Küppers.

Die Fruchtfolge für die Flächen wird erarbeitet, wobei bestimmte Kulturen auf andere positive Effekte haben. „In der Regel ist es eine vierjährige Fruchtfolge. Mais und Roggen können Jahrzehnte hintereinander auf der gleichen Fläche angebaut werden. Das geht mit anderen Kulturen aber nicht. Sie würden für eine Bodenmüdigkeit sorgen“, berichtet Tölkes. Erst wenn alle Bedarfsberechnungen mit allen Parametern abgeschlossen und dokumentiert sind, geht es auf den Acker, wobei der Startzeitpunkt vom Wetter abhängt: Bodenbearbeitung muss möglich sein. „Jede Art von Bodenbewegung löst eine Mineralisierung aus, bei der Nitrat leicht ausgewaschen werden kann. Die Kunst ist es, so zu arbeiten, dass das Nitrat nicht ausgewaschen wird“, betont Tölkes.

Pro Hektar Fläche werden 10.000 Kilogramm Stickstoff im Humus gebunden. Ein bis zwei Prozent davon werden jedes Jahr umgesetzt. Daher bleiben Felder, die keine Zwischenfrüchte und Feldbegrünung erhalten, nach der Ernte einfach brach liegen. Es erfolgt keine Bodenbearbeitung. Zwischenfrüchte wie Lupinen, Ölrettich, Senf und Phacelia verhindern, dass Nitrat ausgewaschen wird. Sie binden und speichern es. Zudem lockern sie den Boden auf und arbeiten damit gegen eine Verdichtung. Bei normalen Wintern mit Frost befrieren die Pflanzen. Sie sterben ab, liegen als Mulch auf der Fläche und verrotten. Mit Hilfe der Bodenorganismen und Kleintieren wie Regenwürmer erfolgt ein Humusaufbau. Ein neues Nährmedium wird geschaffen.

Bodenverdichtung ist in diesem Zusammenhang ein weiteres Stichwort. „Was ich kaputt fahre, da komme ich nie mehr dran. Die Pflanzen können nicht wachsen“, sagt Küppers. Daher verfügen Traktoren über Reifendruckregelanlagen. Auf dem Acker wird der Druck gesenkt, damit eine breitere Auflagefläche der Reifen entsteht und damit der Bodenverdichtung entgegengewirkt wird. Geht es wieder auf die Straße, werden die Reifen automatisch wieder aufgepumpt.

In Kempen arbeiten die Landwirte zudem eng mit den Stadtwerken zusammen. Es besteht eine Wasserschutz-Kooperation. In den Wassereinzugsgebieten mit ihren Brunnen soll es einen größtmöglichen Schutz geben. Die Ackerschlagkarteien, in die die Landwirte alles eintragen, was sie machen, können von der Unteren Wasserbehörde unter dem Aspekt Wasserschutz eingesehen werden. „Die Kooperation läuft gut. Gemeinsam arbeiten wir an sauberem Wasser, und das gelingt uns auch“, sagt Tölkes. Bei der Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Kempen konnte auch festgestellt werden, dass dank der Regenfälle im Februar und Anfang März fast wieder der normale Grundwasserstand erreicht werden konnte.

 Landwirt Heinz-Wilhelm Tölkes kontrolliert die Druckregulierung an einem Reifen seines Ackerschleppers.

Landwirt Heinz-Wilhelm Tölkes kontrolliert die Druckregulierung an einem Reifen seines Ackerschleppers.

Foto: Wolfgang Kaiser

Nicht zu vergessen ist: Stickstoff ist der Motor des Wachstums. Er gehört zum Boden. Es geht nur darum, dass er nicht ausgewaschen wird und in die Tiefen des Wassers eindringt. Und daran arbeiten die Landwirte.

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