Mit Musik jüdischer Komponisten Erinnerung an Holocaust-Opfer in Kempen

Kempen · Der Kreis Viersen erinnerte mit einem Konzertvortrag in der Paters­kirche an von den Nationalsozialis­ten verfolgte jüdische Komponisten.

 Zu den Ausführungen von Ingo Schabrich gaben Dozentinnen der Kreismusikschule musikalische Kostproben.

Zu den Ausführungen von Ingo Schabrich gaben Dozentinnen der Kreismusikschule musikalische Kostproben.

Foto: Norbert Prümen

Auch in Kempen wurde am 27. Ja­nuar der Internationale Tag des Ge­denkens an die Opfer des Holocaust begangen. Im Mittelpunkt der vom Kreis Viersen und der Volkshochschule aus­gerichteten Gedenk­feier stand eine Aus­einandersetzung mit dem Leben und Wirken dreier jüdi­scher Kompo­nisten, die wie vie­le andere Künstler vom NS-Re­gime ver­femt, aus rassisti­schen Gründen verfolgt und dem Vergessen preisge­geben wur­den.

Kreisdirektor und Kulturdezer­nent Ingo Schabrich be­fasste sich in sei­nem Vortrag mit den Biografien von Erwin Schulhoff, Bohuslav Martinu und Gideon Klein. Um­rahmt wurden seine Aus­führungen durch Auszüge aus den Werken der Komponisten, die in wechselnden Besetzungen von Nata­lia Nolte (Vio­line), Andrea Gemsa (Viola), Corin­na Stüttgen (Violon­cello), Lena Velt­kamp (Klarinette) und Lisa Richter (Klavier) – alle­samt Dozentinnen an der Kreismu­sikschule – interpretiert wurden. Alle drei Komponisten stammten aus dem heutigen Tschechien, genos­sen eine exzellente musikalische Ausbildung und zählten zu den her­ausragenden musikalischen Talenten ihrer Zeit. In ihren Werken verarbei­ten sie Einflüsse der Neuen Musik sowie des Jazz und der modernen Tanzmusik – Stilrichtungen, die von den Nationalsozialisten als „ent­artet“ diffamiert wurden. Dem Tod als Künstler folgte die physische Ver­nichtung. Während es Martinu ge­lang, sich 1940 in die USA zu ret­ten und auf diese Weise zu überle­ben, wurden Schulhoff und Klein 1941 von den Deutschen verhaftet und ka­men 1942 beziehungsweise 1945 in La­gerhaft ums Leben. Klein, der nur 25 Jahre alt wurde, war im KZ Theresi­enstadt mit mitgefangenen Künstlern für ein vielfältiges Kulturleben verantwort­lich, mit dem sie sich, so Scha­brich, im Angesicht der Vernichtung „ihre Menschlichkeit“ bewahrten. Die musikali­schen Kostproben reichten von Schulhoffs beschwingt-tänzerischem Stück „Susi“ bis hin zu Kleins dramati­schem Strei­chertrio. Höchst aufwüh­lend auch die Sonati­ne für Kla­rinette und Klavier von Martinu mit ihren verspielt-virtuosen Passa­gen und dem düsteren Mittel­satz, in de­nen die beiden Instrumente in ei­nen in­tensiven Dialog miteinan­der treten. Alle Stücke stellten mit ihrer kom­plexen Tonalität und expe­rimentellen Rhythmik große Anfor­derungen an die Musikerinnen.

„Die Erinnerung und die Mahnung zur Wachsamkeit dürfen nicht en­den“, so Schabrich, der unter anderem auf den Antisemitismus-Skandal bei der letztjährigen Documenta verwies. Si­cherlich hätte man dem Abend mehr als die etwa 50 Zuhörer ge­wünscht, die in die Paterskirche ge­kommen waren. Zuvor hatte be­reits Bürgermeister Christoph Dell­mans (parteilos) an der Stele am Rat­haus der Kempener Holo­caust-Opfer gedacht.

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