Kabarett im Forum St. Hubert „Kempen ist die intellektuelle Speerspitze“

Kempen · Kabarettist Jess Jochimsen präsentierte im Forum St. Hubert Texte, Musik und überraschend komische Fotos. „Meine Gedanken will ich manchmal nicht haben“ heißt sein Programm — das Kempener Publikum schon.

 Kabarettist Jess Jochimsen präsentierte sich in Forum St. Hubert auf vielfältigste Weise: Mit Musik,Texten und Fotos.

Kabarettist Jess Jochimsen präsentierte sich in Forum St. Hubert auf vielfältigste Weise: Mit Musik,Texten und Fotos.

Foto: Norbert Prümen

„Ihr geht ins Kabarett: Ihr seid die Guten“, rief Jess Jochimsen seinem Publikum zu, das am Montagabend ins Forum St. Hubert gekommen war. „An einem Montagabend“, fügte Jochimsen, den Wochentag betonend, hinzu. So froh sei er, nach so vielen Anläufen – die Veranstaltung wurde coronabedingt mehrfach verschoben – endlich in St. Hubert sein zu können.

„Ihr seid die intellektuelle Speerspitze des Niederrheins.“ Und schon hatte er alle Gäste auf seiner Seite, denn wer hört das nicht gern. Aber es war nicht die ironisch-witzige Schmeichelei, die das Publikum an dem Kabarettisten liebte und auch nicht der Grund, warum es ihm immer wieder spontanen Applaus spendete.

Jess Jochimsen ist klug und wortgewandt, er ist sympathisch und zugewandt. Er kann laut und wütend sein, er kann leise und melancholisch sein. Seine Themen sind so ungewöhnlich nicht: Er nimmt die Corona-Pandemie und ihre Folgen ebenso unter die Lupe wie die Politik, die Situation an den Schulen, die Digitalisierung, den Glauben und Aberglauben, die Verschwörungstheorien, Neonazis, Armut, Reichtum, das Gendern. Doch ist es sein Denken – „Meine Gedanken möchte ich manchmal nicht haben“ heißt sein aktuelles Programm – was ihn abhebt von anderen Kabarettisten.

Er nimmt ungewohnte Perspektiven ein, die dem Zuhörer neue Betrachtungsweisen anbieten. Er stellt die Fragen anders als andere. Nicht: „Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Wahl wäre?“ Sondern: Warum wählen Sie? Warum ist das Wahlalter nach unten begrenzt, nach oben aber nicht? Warum sagen wir: Das Glas steht auf dem Tisch? Und nicht: Der Tisch steht unter dem Glas?

Jochimsen wirkt auf der Bühne, als entwickele er alle seine Gedanken im Reden – auch wenn er sein Skript neben sich auf dem Tisch liegen hat. In das er kaum hineinschaut. Einem sehr kleinen Tisch übrigens, denn: „Ich kann keine großen Tische mehr ertragen, seit Putin …“ und mehr braucht er nicht zu sagen. Andeutungen, sprachlich, mimisch, die gehören zu seinen Stärken.

Charmante Abwechslung bringt Jochimsen durch den Einsatz von Gesang zu Gitarre, Harmonika und Glockenspiel ins Programm, die er souverän und experimentell zu seinen Worten einsetzt.

Und dann seine Diashow: wahre Lachsalven provozierten diese Blicke auf die ungewollte Satire in Straßen- und Ladenschildern und anderen Alltäglichkeiten: Hier wird der „Seniorentreff Zwinger“ angekündigt, dort erklärt, dass das „Privatgrund“ sei. Hinzugefügt ist: „Gilt auch für Nüsse.“ Oder das Foto eines Balkons vor einer komplett zugemauerten Hauswand.

Der Abend verging wie im Flug, statt einer textlichen Zugabe gab es mehr von Jochimsens Fotografien, von denen man kaum genug haben kann. „Ihr macht Gutes. Und ihr macht es gut.“ Mit diesem großen Lob an die Kulturabteilung Kempens und allen Helfern verabschiedete sich Jochimsen.

(b-r)
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