Stadt Kempen Integration, Asylanträge: Die Flüchtlinge hatten viele Fragen

Stadt Kempen · Sven Lehmann, Landesvorsitzender der Grünen, war zu Gast in einer St. Huberter Unterkunft.

 Sven Lehmann (hinten Mitte) informierte sich über die Situation der Flüchtlinge in Kempen.

Sven Lehmann (hinten Mitte) informierte sich über die Situation der Flüchtlinge in Kempen.

Foto: wolfgang kaiser

Es war sei eine Art Generalprobe. In einem früheren Klassenraum der Johannes-Hubertus-Förderschule in St. Hubert unterhielten sich junge Flüchtlinge per Dolmetscher mit hauptberuflichen und ehrenamtlichen Integrationshelfern. Dort, wo wahrscheinlich im Frühjahr 2017 mit entsprechenden Fördermitteln ein größeres Begegnungszentrum mit Begegnungs- und Aktionsräumen fertig sein wird. Es gab sogar Kaffee und Kuchen. In erster Linie aber deshalb, weil der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Grünen, Sven Lehmann (36), gekommen war.

Für Lehmann wurde es alles andere als ein Nachmittag in Harmonie und Eintracht. Denn viele der Anwesenden hatten sich bestens vorbereitet, nutzten die Möglichkeit, um viele Mängel und Hemmnisse einer effektiven frühzeitigen Integration aufzuzeigen. Auch Flüchtlinge, so von der Unterkunft an der Tönisberger Straße, waren dabei, fragten unter anderem, warum sie bis zum ersten Asylantrag bis zu einem Jahr warten müssten, warum es Duldungen nur jeweils über sehr kurze Zeiträume gäbe oder warum sie nicht frühzeitiger einen Integrationskurs besuchen dürfen.

Verantwortliche, die sich im Jobcenter mit der Integration und der Vermittlung der Kurse beschäftigen, bestätigten, dass derzeit die Träger solcher Kurse (unter anderem DAA, Kolping-Bildungswerk oder VHS) unverhältnismäßig lange auf die Bewilligungsbescheide warten müssten. Bisher sei es üblich gewesen, dass Flüchtlinge, so aus Syrien, Iran, Irak und Eritrea, also von Personen mit einer Bleibeperspektive, vor dem eigentlichen Bescheid vorab die Bewilligungen bekommen hatten. Dies sei aus unerfindlichen Gründen jetzt ins Stocken geraten. So wartet der 21-jährige Mussab aus dem Irak seit etwa vier Monaten auf den ersten Integrations-Kurs.

"Diese Verzögerungen, auch was die späten Antragsaufnahmen und die Interviews betrifft, sind ein Skandal", sagte der Grüne. Es müsse viel mehr geschehen, so Lehmann, damit die Flüchtlinge nicht nur willkommen sind, sondern auch tatsächlich ankommen und schnell integriert würden. Er verwies auf das zuständige Bundesamt, machte sich aber Notizen. So als die Kempener Ratsfrau der Grünen, Monika Schütz-Madré, die Meinung einiger Flüchtlingsfrauen weiter gab: "Einige Frauen können diese Sprachkurse nicht besuchen, weil sie kleine Kinder haben und keinen, der dann auf sie aufpasst." Hier sei nicht nur das Ehrenamt gefordert, sondern müssten Bund oder Land diese Betreuungen ermöglichen.

Auch Flüchtlinge meldeten sich zu Wort. So der 24-jährige Amoura Majed aus Syrien, der schon ganz gut Deutsch spricht und schon seit 18 Monaten in Deutschland ist, bereits eine Duldung über zunächst drei Jahre bekommen hatte. Er sagte: "Ich habe auch schon Sprachkurse gemacht, brauche aber Kontakte zu Deutschen, damit ich diese Sprache häufiger sprechen kann." Andere Flüchtlinge sagten, dass sie gerne arbeiten möchten, dies aber nicht dürfen. Und ein junger Flüchtling aus Syrien sprach Sven Lehmann in englischer Sprache an, teilte ihm mit, dass andere Familienangehörige in Stuttgart leben würden und dass bisher eine Familienzusammenführung abgelehnt worden sei. Auch diesen Fall notierte sich Lehmann, der wenig später das Engagement und das Kümmern in der Thomasstadt als beispielhaft bezeichnete: "Dies hier müsste auch Mut für andere sein, es Kempen nachzutun."

Kempens Sozialdezernent Michael Klee führte den Gast durch die Räumlichkeiten des geplanten Begegnungszentrums. "Dies soll ein Haus für alle Menschen werden", sagte Klee und berichtete, dass man mit den Umbauarbeiten in den Sommerferien beginnen werde. Mit dabei war unter anderem der Ehrenamts-Koordinator der Stadt Kempen, Bjarne Norlander. Er hatte diese Aufgaben im Dezember 2015 übernommen. Sein Appell war, auch hinsichtlich des neuen Flüchtlingszustroms seit wenigen Wochen: "Wir sind mehr denn je auf weitere ehrenamtliche Helfer angewiesen. Die Zahl sei nach anfänglicher Euphorie doch merklich zurück gegangen. Derzeit sei dies ein Stamm von etwa 40 Männer und Frauen. Interessierte können eine Mail schicken an: bjarne.norlander@kempen.de oder sich auf den Seiten www.kempenhilft.de informieren.

Mit den bisherigen und dann neuen Helfern werde es dann, so Norlander, eine neuerliche Info-Veranstaltung geben. Derzeit sei man dabei, die gerade in Kempen eingetroffenen Flüchtlingen nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu befragen. Unter den Ehrenamtlern, die jetzt in die ehemaligen St. Huberter Förderschule kamen, war die Kempener Natalie Meyer. Sie prangerte ebenfalls den "Behördendschungel" und die vielen Formaltäten an, wünschte sich eine bessere Vernetzung der Ehrenamtlichen in Kempen untereinander.

(wsc)
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