Stadt Kempen Hilfe, die bei jedem einzelnen ankommt

Stadt Kempen · 35 Operationen, zwölf Stunden am Tag im Operationssaal und das eine Woche lang. Die Anästhesisten Dr. Hartwig Broer und Dr. Claudia Balczun waren im Rahmen des Hilfsprojektes "Tajik-AID" in Tadschikistan.

Für Dr. Claudia Balczun, Anästhesie-Assistenzärztin am Kempener Krankenhaus Zum Heiligen Geist, war es das erste Mal, für Dr. Hartwig Broer, Anästhesie-Oberarzt am Städtischen Krankenhaus Nettetal, hingegen der vierte Besuch in Tadschikistan. Die beiden Anästhesisten gehörten zum insgesamt zehnköpfigen deutsch-österreichischen Ärzte- und Schwesternteam, das jetzt für eine Woche nach Dushanbe, der Hauptstadt von Tadschikistan, reiste, um dort vor Ort im Rahmen des Hilfsprojektes "Tajik-AID" Kinder und Jugendlichen mit angeborenen Mund-Kiefer-Gesichtsmissbildungen zu operieren.

"Eine solche Dankbarkeit von Patienten und Angehörigen habe ich noch nicht erlebt", berichtet Claudia Balczun, wenngleich sie von den dortigen medizinischen Verhältnissen doch ein stückweit geschockt war. Normalität für Hartwig Broer, der die Verhältnisse vor Ort kennt. "Im vergangenen Jahr funktionierte der Alarm am Sauerstoffgerät noch. Jetzt war er defekt und wir merkten, wenn das Zischen aufhörte, dass jemand die Flasche wechseln musste", berichtet Broer.

Wobei Sauerstoff schon ein Fortschritt ist. Die meisten Operationen im Krankenhaus erfolgen mit Raumluft. "Das ist allerdings ein Minus an Sicherheit für den Patienten", betont der Mediziner. Auch die dort eingesetzten Narkosemedikamente sind veraltet. "Sie lassen den Blutdruck ansteigen, was zu stärkeren Blutungen während der Operation führt und so die Arbeit für den Operateur schwerer macht und die Operation unnötig verlängert", erklärt Broer.

Daher reisten seine Kollegin und er mit insgesamt 40 Kilogramm Übergepäck an. "Allesamt medizinische Ausrüstung und Medikamente", sagt Balczun. Wobei sowohl die beiden Krankenhäuser in Kempen und Nettetal als auch die Lobbericher Sebastian-Apotheke dem Hilfsprojekt "Tajik-AID", das vom Kempener Hals_Nasen-Ohrenarzt Dr. Martin Kamp geleitet wird, sehr entgegenkamen.

An jedem Tag des einwöchigen Aufenthalts standen die Mediziner zwölf Stunden im Operationssaal, um gemeinsam mit einheimischen Ärzten und Schwestern zu operieren, wobei es diesmal allesamt komplizierte Fälle waren. Immer dabei, ein Dolmetscher, denn schließlich sollen die einheimischen Ärzte von den angereisten Kollegen auch lernen. "Die lange Arbeit im OP zehrt schon. Eine einheimische OP-Schwester war so fertig, dass sie wirklich kurzfristig im OP weggenickt ist", berichtet Balczun.

"Es sind immer tolle Teams, die ihren Urlaub nehmen und zum Operieren nach Dushanbe fliegen", sagt Kollege Kamp voller Dankbarkeit. Im Rahmen des seit dem Jahr 2009 existierenden Hilfsprojekte konnten so schon knapp 600 Kinder und Jugendliche mit dem angeborenen Defekt operiert werden. "Tajik-AID" hat sich sein Ziel aber noch höher gesteckt. Das große Ziel ist es, die völlig veraltete Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie in der Hauptstadtklinik um- und auszubauen, um so ein Zentrum für diesen Bereich zu schaffen, in dem ortsansässige Ärzte später ohne fremde Hilfe operieren können. Erste Schritte dazu wurden bereits unternommen. So nahm "Tajik-AID" Kontakt mit einem Krankenhausarchitekten zwecks Umbau auf und versucht, einen Container mit gebrauchten Krankenhausgegenständen zusammenzustellen. "Wenn wir es schaffen, die Station auf einen Krankenhausstandard wie bei uns in den 1980er Jahren zu bringen, und die Narkose dort an unsere heutigen Verhältnisse anpassen können, dann wäre das fantastisch", blickt Kamp in die Zukunft. Rund 100 000 Euro werden dafür benötigt. Hinter jedem in Tadschikistan operierten Kind steht dabei ein Einzelschicksal und weitere Hilfe ist dringend nötig.

(tref)
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