Kempen Herbst lehrt, mit Abschied umzugehen

Kempen · Beruflich hat Marcell Feldberg, Kirchenmusiker in Schiefbahn und Experte für Trauermusik, viel mit Abschieden zu tun. Er plädiert dafür, das Thema der eigenen Sterblichkeit nicht zu verdrängen. Ihm helfen dabei Bilder eines Herbstwaldes.

Marcell Feldberg ist Kirchenmusiker und Experte für Trauermusik.

Marcell Feldberg ist Kirchenmusiker und Experte für Trauermusik.

Foto: wks

Für die Menschen wird sich künftig immer drängender die Frage stellen, wie sie persönlich mit den Themen Tod, Sterben, Trauer, Abschied umgehen. Das sagt Marcell Feldberg, katholischer Kirchenmusiker in Schiefbahn und Anrath, und Experte für Trauermusik der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf. Feldberg begründet das damit, dass die rituelle Selbstverständlichkeit, mit der Generationen mit dem Tod umgegangen seien, abhandengekommen sei. Das hänge unter anderem damit zusammen, dass Bindungen an die Kirche nachgelassen hätten. Aber auch die zunehmende Individualisierung sei dafür mit verantwortlich. "Es heißt, der Tod wird verdrängt. Es ist aber eher so, dass die Wahrnehmung der eigenen Sterblichkeit verdrängt wird", meint Feldberg.

Abschiednehmen sei ein lebenslanger Prozess, meint der 45-Jährige. Als Kirchenmusiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Sepulkralmusik der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf hat er allein von Berufs wegen des öfteren mit Abschieden zu tun: Sei es, dass er bei Beerdigungsgottesdiensten und Begräbnissen die Orgel spielt, sei es, dass er als Dozent über die Musik forscht, die sich in unterschiedlichen Facetten mit Tod, Trauer und Abschiednehmen befasst.

Beim Abschiednehmen von Standards wegzukommen, das versucht Feldberg auch Bestattern zu vermitteln, wenn er sie mit der Bedeutung von Musik bei Begräbnissen vertraut macht. Zu oft werde da in bestimmte Schubladen gegriffen. "Das Leben ist aber nicht schubladisierbar, und genau das finde ich spannend, denn sonst wäre das Leben todlangweilig, um im Bild zu bleiben", sagt Feldberg. Eine solche Schublade sei auch, dass das Thema Tod und Abschied gerade an den so genanten stillen Tagen im November Aufmerksamkeit finde, "obwohl der Tod von Januar bis Dezember tätig ist", wie Feldberg hinzufügt. Wer sich also die Frage stelle, wie er mit den Themen Tod und Abschied umgehe, komme unweigerlich zur Frage, wie er mit seinem eigenen Leben umgehe, sagt der Kirchenmusiker.

Feldberg gehört zu einem Team, das derzeit eine Tagung in Düsseldorf vorbereitet. "Vor aller Augen ... Tod in öffentlicher Wahrnehmung und Begegnung" heißt ihr Titel. Das Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf, das Kuratorium Deutsche Bestattungskultur und die Robert-Schumann-Hochschule richten die Tagung aus. Sie geht der Frage nach, wie in einer Zeit, in der Todesfälle von Prominenten, das Sterben von Soldaten in Auslandseinsätzen und Gedenkfeiern für Opfer von Katastrophen und Gewalttaten medial großen Widerhall finden, Menschen und Institutionen mit Trauer und Abschied umgehen. Vertreter aus Politik, Ministerien, Bundeswehr kommen dabei ebenso zu Wort wie Soziologen, Philosophen, Germanisten, Musiker und Künstler. Aber auch eine weitere, in Folge der demographischen Entwicklung immer öfter zu Tage tretende Seite des Abschieds will die Tagung beleuchten: die Demenz. Vor allem auf die Herausforderungen, vor die diese Erkrankung die Kommunen stellt, will die Tagung eingehen.

Marcell Feldberg ist wichtig, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit Trauer und Abschiednehmen nicht im Elfenbeinturm der Forschung hängen bleibt. Sie soll praxisorientiert zur Anwendung kommen. Es komme darauf an, sich von dem Thema berühren zu lassen.

Der Kirchenmusiker, der sich für Literatur und Kunst interessiert, hat einen Weg gefunden, wie er gut mit dem Thema Abschiednehmen umgehen kann. Er denkt zum Beispiel an einen Herbstwald. "Das sind Farbexplosionen. Aber der Herbst bedeutet auch Abschied. Blätter fallen, es findet statt. Ob ich das will, oder empfindungslos dafür bin, interessiert die Natur nicht." Und als er jüngst mit dem Fahrrad an Apfelbäumen vorbei fuhr, die eine gute Ernte versprachen, entdeckte er auch dort eine Parallele zum Thema Abschied. "Wir sagen: Im Herbst fallen die Äpfel. Das ist auch ein Abschied. Ich kann ihn unterschiedluch wahrnehmen: Entweder kann ich die Äpfel als Früchte genießen, oder sie fallen auf den Boden und verfaulen." Es komme darauf an, seinen Standpunkt zu finden.

(RP)
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