Fakten und Hintergrund: Die Oedter Ortsgeschichte (1) Erste Spuren menschlicher Besiedlung

Oedt · Rund um Oedt haben Archäologen viele Relikte aus der Vergangenheit ausgegraben.

 Das Original des Schwerts befindet sich im Rheinischen Landesmuseum Bonn, eine Nachbildung im Oedter Heimatmuseum.

Das Original des Schwerts befindet sich im Rheinischen Landesmuseum Bonn, eine Nachbildung im Oedter Heimatmuseum.

Foto: repro knorr

Vom 19. bis zum 21. Juni feiert Oedt sein 850-jähriges Bestehen. Damit ist aber nicht das Alter des heutigen Ortsteiles von Grefrath gemeint. Oedt ist nämlich viel älter. Im Jahre 1170 wurde Oedt in einer Urkunde des Abtes Robert der Benediktinerabtei Gladbach (Mönchengladbach) im Zusammenhang mit der Erwähnung einer Kirche oder Kapelle zu „hude“ erwähnt. „hude“ oder „ude“ bedeutet so viel wie sumpfiges Land oder auch Fährstelle, denn hier musste die Niers überquert werden.

Archäologische Funde zeigen, dass dieses Gebiet schon viel früher besiedelt war. Funde aus der Jungsteinzeit (5800 bis 4000 vor Christus) in der Niers- und Schleckniederung zeugen erstmals von Menschen in unserer Gegend. Sie könnten Nomaden oder als kleine Dorfgemeinschaft vorübergehend sesshaft gewesen sein. Sie arbeiteten mit Beilen, Klopfsteinen, Schaber und Klingen aus Feuerstein. Es kam einer Sensation gleich, als bei Oedt im Schlamm der Niers ein stark mit Patina überzogenes Bronzeschwert gefunden wurde. Die Bronzezeit wird von Archäologen von 1700 bis 1100 vor Christus angegeben. Es war der erste Bronzefund im Rheinland. Das 43,5 Zentimeter lange Kurzschwert ist sehr gut erhalten. Der Griff weist Feuervergoldungen und eingelassene Nieten aus Gold auf.

 Oedt mit dem Dormelshof (nördlich vom Ortskern) und dem Oedelshof (südöstlich vom Ortskern).

Oedt mit dem Dormelshof (nördlich vom Ortskern) und dem Oedelshof (südöstlich vom Ortskern).

Foto: Alfred knorr

Im ehemaligen Ortsteil Hagen gegenüber der Schule auf einer leichten Erhebung wurde 1942 beim Sandgraben eine beschädigte Urne mit Leichenbrand gefunden. Als Leichenbrand bezeichnen Archäologen die Asche von Toten nach einer Brandbestattung. Die Eisenurne entstammt der älteren Eisenzeit zwischen 800 und 450 vor Christus. Weitere eisenzeitliche Funde gab es in der Grasheide in Mülhausen.

Ebenfalls in der Grasheide sowie in Hagen fand man zusammen mit vorgeschichtlichen Siedlungsresten auch Siedlungsreste aus der römischen Zeit: Randscherben von Schüsseln, Töpfen, Bechern und Fässern. Sie wurden auf das 2. und 3. Jahrhundert vor Christus datiert. Im Niederfeld, westlich der Grasheider Straße, kam es 1926 ebenfalls zu einem bemerkenswerten archäologischen Fund. Der in Lobberich geborene Archäologe Albert Steeger (1885-1958) meldete ein fränkisches Grabfeld mit Waffen und Gefäßbeigaben aus dem 7. Jahrhundert nach Christus und schließt deswegen an der Stelle auf ein Frühbesiedlungsgebiet.

Ein weiterer Fund aus der Frankenzeit wurde ebenfalls 1926 bei der Niersregulierung in Mülhausen südlich der heute stillgelegten Eisenbahnlinie Kempen – Kaldenkirchen in 1,20 Meter Tiefe entdeckt. Das eiserne, damaszierte Schwert wird der Wikingerzeit zwischen 800 und 1066 nach Christus zugeordnet. Mit Griff hat es eine Länge von 81 Zentimetern. Blaugraue und Siegburger Scherben, also Siegburger Steinzeug aus dem Spätmittelalter ab dem 14. Jahrhundert, finden sich weithin gestreut im Oedter Auffeld wie auch im Niederfeld und bezeugen die Beackerung dieser Fluren im Mittelalter.

Gestützt durch archäologische Landaufnahme sowie durch die Luftbildarchäologie kann man zu der Vorstellung gelangen, dass in den Jahrhunderten, als das Rheinland Bestandteil des römischen Reiches war, eine planmäßige Erschließung des Landes erfolgte. Alte Wege und Straßen, die vor der planmäßigen Besiedlung entstanden sind, liegen eher abseits der späteren Hof­reihen, die auf Erhöhungen liegen und auf größere Strecken durchgehen. Im Amt Oedt gibt es einen solchen durchgehenden Straßenzug von Hagen über Oedt und Mülhausen zur Neersdommer Mühle. Der Höhenrücken liegt westlich am Rand der Kempener Platte. Diese Randzone war sandig und mit einer dünnen Lößlehmdecke überzogen, weniger dicht bewaldet, leichter zu roden und damit leichter zu bearbeiten als die lehmige Kempener Platte. Hier werden sich zuerst die Siedler niedergelassen haben, denn hier gab es Wasser und Weideland.

Nach der römischen Zeit wird sich langsam eine Siedlungszone um die Platte gelegt haben. Das geht auch aus einer Reihe altertümlicher Namen hervor, wozu auch „hude“, wovon Oedt abgeleitet ist, gehört. Mülhausen dagegen gehört nicht zu den Siedlungsgründungen aus Hofreihen. Mit Ausnahme der Neersdommer Mühle, die zuerst 1167 erwähnt wird, wurden die Mülhausener Höfe erst später gegründet. Die ältesten von ihnen, die als Einzelhöfe wie eine Kette entlang der Gewässer aufgereiht erscheinen, stammen aus dem 15. Jahrhundert.

An der Niers in Mülhausen siedelten sich 1382 zuerst die kurfürstliche Mühle an und danach die Höfe, Werkstätten und Wohnhäuser an. Die Siedlungszone um die Kempener Platte ist spätestens der fränkischen Zeit zuzuordnen. Die Besiedlung der Platte mit starker Bewaldung und mit schwererem Boden, auf der auch nur wenige archäologische Funde gemacht wurden, erfolgte erst später.

Im 10. Jahrhundert kam das Oedter Land zur damaligen Erzdiözese Köln, erhielt also erstmals einen Landesherrn und einen Herrenhof, einen Salhof, dem die übrigen Höfe unterstanden. Im Jahre 954 übertrug Kaiser Otto I. seinem Bruder, dem Erzbischof Bruno (953-965) von Köln, die herzogliche Würde von Lothringen. Damit kam auch der Kempener Bezirk einschließlich Oedt, der ursprünglich zu Niederlothringen gehörte, zum Erzbistum Köln. Im Bereich des Salhofes entstand nach den archäologischen Befunden in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ein kleiner Kirchenbau als Hofeskapelle. Hierbei handelt es sich nach archäologischen Befunden um einen romanischen Saalbau von 13,66 Meter Länge und 6,66 Meter Breite. Diese älteste Siedlungsschicht von Oedt war damit ein fränkischer Hofverband mit einer kleinen Kapelle für die klostereigenen Salhofbewohner.

Dieser älteste Kern von Oedt ist noch in der Urkatasterkarte von 1825 ablesbar. Der Kapellenbereich ist durch unregelmäßige Parzellierung gekennzeichnet. Ein weiteres Indiz für die Datierung des Hofverbandes mit Kapelle ist die Vergabe des St. Vitus-Patroziniums, eine für das 10. Jahrhundert geläufige Schutzherrschaft über eine Kirche. Auch die Abtei Gladbach selbst ist bis heute dem St. Vitus geweiht. Unter den Kurfürsten von Köln als Landesherrn blieb schließlich das Amt Oedt über 800 Jahre bis zur französischen Herrschaft im Rheinland in der mittelalterlichen feudalistischen und agrarischen strukturierten Form bestehen.

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