Interview mit Elke Terbeck „Nur wer im System ist, versteht es“

Kempen · Wir sprachen mit Elke Terbeck, der Leiterin des Rhein-Maas-Berufskollegs in Kempen, über die Probleme der Schulen, insbesondere die der Berufskollegs, in der derzeitigen Corona-Situation.

 Elke Terbeck und Lehrer Eric Bongartz messen den Tischabstand in einer der Schulklassen am Rhein-Maas-Berufskolleg.

Elke Terbeck und Lehrer Eric Bongartz messen den Tischabstand in einer der Schulklassen am Rhein-Maas-Berufskolleg.

Foto: Wolfgang Kaiser (woka)

Alle Schulen sind derzeit mit großen Herausforderungen konfrontiert. Wir sprachen darüber mit Elke Terbeck, der Leiterin des Rhein-Maas-Berufskollegs in Kempen. Wie kommt ihre Schule zurecht? Gibt es Besonderheiten?

Wo gibt es an Ihrer Schule noch Probleme?

Elke Terbeck Wir handeln im Moment nach der Devise: Problem erkannt, Problem kommuniziert, Problem gelöst. In der jetzigen Lage bringt uns jeder Tag viele neue Herausforderungen. Was uns sehr hilft, ist die große Unterstützung, die wir von unserem Schulträger, dem Kreis Viersen, bekommen. Er hat es beispielsweise möglich gemacht, dass wir die Turnhalle als Prüfungsraum nutzen können. So haben wir mehr andere Räume für den Unterricht. Auch werden wir im Hinblick auf hygienische Maßnahmen bestens unterstützt. Generell ist jede Planung im Moment sehr zeitaufwändig, weil wir immer wieder neue Vorgaben aus E-Mails aus dem Ministerium erhalten und diese schnellstmöglich umsetzen müssen.

Gibt es Probleme mit den Schülern?

Terbeck Ja, leider halten sie sich nicht immer an die gebotenen Mindestabstände. In den Klassenräumen läuft das gut, da sind die Abstände vermessen und markiert. Aber draußen auf dem Schulhof oder auf dem Weg zur Schule achten viele nicht auf die Abstände. Dieses Problem können wir nicht lösen, das bereitet mir schon Sorgen.

Wie läuft der digitale Unterricht?

Terbeck Wir haben das Glück, als Berufskolleg digital gut aufgestellt zu sein. Bei uns hat jeder Schüler schon lange eine eigene Schul-Mail-Adresse. Probleme gibt es dann, wenn zu Hause keine geeigneten Endgeräte vorhanden sind. Man kann dem Unterricht aber komplett mit dem Smartphone folgen. Laut einer Umfrage haben alle unserer Schüler ein Smartphone. Das setzt natürlich Interesse bei ihnen voraus, sich nicht immer mit anderen Dingen wie den Sozialen Netzwerken zu beschäftigen. Für Kollegen, die in der Materie nicht ganz firm sind, haben wir ein Digitalteam, das in dieser Hinsicht für Abhilfe sorgt und unser Kollegium fortlaufend schult.

Inwieweit waren die Schüler beim Neustart eigentlich verunsichert?

Terbeck Na ja, bei ihnen stehen ja bekanntlich Prüfungen an. Alles Wissenswerte dazu steht auf den Internetseiten des Ministeriums. Kein Schüler soll durch Corona einen Nachteil haben.

Hat die Politik die besonderen Belange der Berufskollegs eigentlich berücksichtigt?

Terbeck Aus meiner Sicht werden Berufskollegs in ihrer Besonderheit nicht ausreichend berücksichtigt. Berufskollegs sind vielen Politikern nicht ausreichend präsent, obwohl sie nach den Grundschulen die meisten Schülerinnen und Schüler haben. Erst danach kommen die Gymnasien. In Erlassen und den „Corona-Schulmails“ kommen die Berufskollegs wenig vor, erst nach Konkretisierungen seitens der Bezirksregierung können wir sicher handeln. Beispiel: Als vom Schulstart der Abschussklassen die Rede war, hat sich keiner vor Augen geführt, dass bei uns 600 Schülerinnen und Schüler betroffen sind.

 Die Vielzahl der Bildungsgänge hatte also keiner im Bick?

Terbeck Nein, wir haben über 50, und das ist ein gewaltiger Aufwand. Bei den Freizeitsportleitern etwa war die praktische Prüfung haarklein vorbereitet, da wurde die Schule geschlossen. Erst seit Kurzem wissen wir, wie diese Prüfungen unter veränderten Bedingungen durchgeführt werden können. Dies ist in der Kurzfristigkeit und unter den derzeitigen Bedingungen eine herausfordernde Aufgabe. So hat fast jeder Abschluss seine speziellen Besonderheiten. Nur wer im System ist, kann es verstehen.

Wie sieht der Unterricht bis zu den Sommerferien aus?

Terbeck Wir folgen der Aussage von Schulministerin Yvonne Gebauer: Jede Klasse soll bis dahin noch einmal Präsenzunterricht haben. Das wird bei uns aber nicht oft der Fall sein, weil wir die räumlichen und personellen Ressourcen unter den derzeit gültigen Vorgaben nicht haben. Online läuft der Unterricht jedoch wie gehabt weiter. Darum kümmern sich unter anderem die Kolleginnen und Kollegen, die aus verschiedenen Gründen aktuell nicht im Präsenz-Unterricht sein können.

Wie helfen Sie Schülern, die bisher keinen Ausbildungsplatz bekommen haben?

Terbeck Viele Betriebe wollen wegen der Corona-Krise keine Auszubildenden einstellen, weil sie selber nicht wissen, wie es weitergeht. Wir bieten den betroffenen Schülern an, noch ein Jahr das Berufskolleg in einem vollzeitschulischen Bildungsgang zu besuchen und sich noch mehr Wissen anzueignen, damit die Chancen auf einen Ausbildungsplatz im nächsten Jahr steigen. Wir werden diese Schülerinnen und Schüler unterstützen und ihnen Perspektiven bieten.

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