Gemeinde Grefrath Eintauchen ins Mittelalter ist wie Urlaub

Gemeinde Grefrath · Am Wochenende fand zum sechsten Mal ein Mittelaltermarkt im Niederrheinischen Freilichtmuseum in Grefrath statt.

 Silvia Schnell (rechts) zeigt Besuchern des Mittelaltermarktes, wie früher Schafschurwolle mit Pflanzen gefärbt wurde.

Silvia Schnell (rechts) zeigt Besuchern des Mittelaltermarktes, wie früher Schafschurwolle mit Pflanzen gefärbt wurde.

Foto: WOLFGANG KAISER

"Das ist für mich wie ein Kurzurlaub." Vielen mag es so gehen wie Richard Hippauf aus Velbert. Im "wahren Leben" arbeitet er als Abteilungsleiter bei einer großen Maschinenbaufirma in Hagen. An diesem Wochenende hat er eine Zeitreise angetreten und mimt in Leinengewändern einen Bäcker aus der Zeit des Mittelalters. Mit Familie und Freunden wohnt er zwei Tage auf dem Gelände des Freilichtmuseums an der Dorenburg in Grefrath. In beigefarbenen Zelten, mit hölzernem Mobiliar. Auf den Bänken liegen Schaffelle, über den offenen Feuerstellen wird in Eisengeschirr das Essen gekocht. Gegessen und getrunken wird aus handgetöpfertem Geschirr. Die Frauen sitzen beieinander, viele halten Nähzeug in den Händen. Kinder düsen durch die Gegend. Auch viele Hunde sind dabei, verfolgen meist gelassen das Geschehen um sie herum. Elektrizität ist Fehlanzeige. Kerzen stehen bereit, um die Abende stimmungsvoll zu beleuchten. In Betten, die mit Fellen und Wolldecken ausgestattet sind, wird geschlafen.

Bereits zum sechsten Mal in Folge fand im Freilichtmuseum an der Dorenburg in Grefrath der Mittelaltermarkt statt. Mit steigender Beliebtheit, wie Museumsmitarbeiterin Ursula Schürmanns berichtet. "Angefangen haben wir mit sechs Lagern, heute sind es 36", erzählt sie. Hinzu kommen noch 46 Händler und Handwerker. "Damit sind wir an den Grenzen der Kapazität, mussten sogar schon eine Warteliste einrichten," fügt sie hinzu. Auch die Besucherzahlen sind steigend, bewegten sich zuletzt auf die 5000 zu, eine Zahl, die bei dem regnerischen Wetter diesmal möglicherweise nicht erreicht werden kann.

Ursula Schürmanns trägt heute ein selbst genähtes grünes Leinenkleid und eine beige Schürze, an der Fibeln in Form von Schildkröten befestigt sind, an den Füßen hat sie Wollsocken. "Ich bin so um 960", sagt sie schmunzelnd, "eine Wikingerfrau." Möglichst authentisch sein, auch das ist für die meisten hier Ehrensache. Wo es geht, versuchen die Beteiligten die Lebensweise des Mittelalters nachzuahmen.

Einiges davon halten die Händler des Marktes selbst bereit. Da gibt es Keramiker, Schmiede und Korbflechter. Es werden selbst gefertigte Lederwaren und Rüstungsteile angeboten. Michael Kieweg und seine Frau Dorothea aus der Eifel verkaufen Bogen aus Eschenholz nach historischen Vorlagen. Die größten sind zwei Meter lang, die Reichweite der Pfeile geht bis zu 250 Metern. Der kräftige Mann mit Vollbart hat seine Leidenschaft vor zwölf Jahren zum Beruf gemacht.

Doch viele Teilnehmer tauchen nur in ihrer Freizeit in die Welt des Mittelalters ein, genießen das Leben im Freien, die Einfachheit und den direkten, unmittelbaren Bezug zum Alltagsgeschehen, ganz abseits von der hochkomplexen digitalen Jetztzeit. Stephan Spönnen aus Tönisvorst arbeitet bei der Berufsfeuerwehr. Er fertigt in seiner Freizeit, etwa abends vor dem Fernseher, Kettenhemden. Mit einem unglaublichen Aufwand: Ein Kettenhemd besteht aus bis zu 80.000 Ringen, die einzeln zusammengefügt werden. Es wiegt dann mehr als elf Kilogramm. Auch Sohn Henrik (10) macht schon mit. Begeistert zeigt er, wie die Ringe aus Aluminium oder Edelstahl zusammengefügt werden.

Aufgelockert wird das Geschehen in den Lagern durch einen Marktumzug oder eine nachgestellte Schlacht. Eine Falknerei aus der Eifel zeigt den Falken Saladin bei der Jagd. Und die Gruppe Vrevel aus Hagen musiziert im Hof der Dorenburg - ohne Verstärker oder Mikro.

(evs)
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