Stadt Kempen Eine Zeitzeugin des Holocausts

Stadt Kempen · Die aus Weeze stammende Jüdin Edith Devries sprach bei der Gedenkfeier zur Pogromnacht am Kempener Mahnmal an der Umstraße. Sie mahnte auch mehr Toleranz an.

 Die Holocaust-Überlebende Edith Devries (am Rednerpult rechts) hielt die Gedenkansprache zur Pogromnacht am Mahnmal an der Umstraße. Dort stand bis zu ihrer Zerstörung durch die Nazis die Kempener Synagoge.

Die Holocaust-Überlebende Edith Devries (am Rednerpult rechts) hielt die Gedenkansprache zur Pogromnacht am Mahnmal an der Umstraße. Dort stand bis zu ihrer Zerstörung durch die Nazis die Kempener Synagoge.

Foto: Kaiser

Beeindruckend war der Appell von Edith Devries, die am Donnerstagabend zum Gedenken an die Reichspogromnacht in Kempen am Mahnmal für die Synagoge an der Umstraße sprach. Der Kempener Geschichts- und Museumsverein hatte sie eingeladen, von ihren Erinnerungen an die Verfolgung und Deportation zu berichten. Achtung vor dem Mitmenschen, Hinschauen und Helfen, dies seien gerade in dieser Zeit wieder wichtige Aufgaben, sagte sie. Gleichzeitig mahnte sie in ihrer Ansprache zur Toleranz.

Edith Devries stammt aus Weeze und lebte dort bis 1942 mit ihrer jüdischen Familie in guter Nachbarschaft mit den anderen Bürgern. Dann wurde die Familie nach Theresienstadt deportiert. Angedeutet habe sich das schon vorher, so Edith Devries. Die Sechsjährige sollte besser nicht mehr in den Kindergarten gehen, was sie aber überhaupt nicht verstehen konnte. Sie erinnert sich, dass die Familie zum Schlachthof nach Düsseldorf gebracht wurde. Und das sie dabei ihre geliebten Puppen verlor. Von dort aus ging es nach Theresienstadt. Dies waren die letzten Erinnerungen an eine glückliche, behütete Kindheit.

Fortan half die kleine Edith in Theresienstadt ihrer Familie, wo sie konnte. Sie stahl und versuchte im Lager, stets irgendetwas zu organisieren. Damit sie nicht in ein Kinderheim gesteckt wurde, was den sicheren Tod bedeutet hätte, versteckte ihre Mutter das Kind. Gleichzeitig beschwor sie die kleine Edith, wenn das Grauen einmal vorbei wäre, ein besseres Leben zu führen. Ihr Vater, der im Ersten Weltkrieg schwer verletzt worden war, verstand die Welt nicht mehr. Er fühlte sich als aufrechter Deutscher, war sogar für seinen Einsatz im Krieg geehrt worden. Nach der Befreiung des Lagers kehrte sie nach mehreren Zwischenstationen in ihre Heimatstadt zurück.

Ihre Erinnerungen möchte sie aber weiter geben. Die vielen Besucher am Donnerstagabend erlebten die hoch betagte Dame genauso wie sie ihr Lebensmotto beschreibt: "Ja zum Leben, Nein zum vergessen." Sie spreche für die Leute, die nicht mehr reden könnten, sagte sie. Pfarrer Roland Kühne von der Evangelischen Kirchengemeinde Kempen meinte anschließend, das diesjährige Gedenken an die Opfer des Holocausts, verbunden mit der Aufforderung: Wehret den Anfängen, die Menschen in der jetzigen Zeit ansporne, den Weg des Friedens und der Mitmenschlichkeit nie zu verlassen. Es war sehr still auf dem Platz an der Umstraße, als die Vorsitzende des Geschichts- und Museumsvereins, Ute Lueb, die Besucher in den Abend verabschiedete.

(sr)
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